Bochum. . Mindestens 1555 Flüchtlinge leben derzeit in Bochum. Bis zum Jahresende sollen es 2700 werden. Die WAZ beleuchtet das Thema in einer Serie.

Es geht um die Schicksale von derzeit 1555 Menschen, wahrscheinlich liegt die Zahl um einige Hundert höher, die als Flüchtlinge, als Asylbewerber im Moment in Bochum leben. Mit Hilfe eines bestimmten Schlüssels werden sie auf die Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen verteilt. In Bochum kamen allein bis zum 6. Juli 808 Personen neu in die Stadt. Zum Vergleich: Das sind beinahe so viele, wie im Schnitt im gesamten Jahr 2014 in Bochum lebten.

Was die Dimension des Themas aufzeigt. Zum Auftakt unserer Serie wollen wir kurz die drängendsten Fragen beantworten und so etwas wie eine Bestandsaufnahme versuchen.

Organisation der Unterkunft

Die Stadtverwaltung Bochum erfährt jeweils erst mit nur etwa einer Woche Vorlauf von der Bezirksregierung, wann, wie viele und welche neuen Asylbewerber von der Stadt aufgenommen werden müssen. Da die Zahl in den letzten Monaten ständig gestiegen ist, (siehe Tabelle unten) reichen die bisherigen Unterkünfte schon lange nicht mehr aus.

Wo die Flüchtlinge leben

Neben eingeführten Übergangswohnheimen wie an der Krachstraße oder der Emilstraße leben die Flüchtlinge mittlerweile in Bochum auch in Wohncontainern oder Privatwohnungen. Noch in diesem Jahr sollen das alte Gewerkschaftshaus an der Humboldtstraße und das ehemalige Antonius-Stift an der Bessemer Straße ebenfalls zu Flüchtlingsunterkünften umgebaut werden. Außerdem wurden Räume in Hotels, Ferienwohnungen oder aber in nicht mehr genutzten Schulen hergerichtet. Aber wegen der plötzlich so rasant gestiegenen Zuweisungszahlen musste die Stadt zuletzt auf Turnhallen als provisorische Unterkünfte zugreifen.

Warum Turnhallen nötig sind

Es braucht Zeit, bis die Container geliefert sind und in der Stadt die Genehmigung zum Aufstellen erteilt worden ist. Außerdem dauert es, bis die Umbauten abgeschlossen sind. Derzeit sind vier Turnhallen, die allesamt nicht mehr von Schulen regelmäßig genutzt worden sind, mit jeweils im Schnitt bis zu 40 Personen belegt. Nach Auskunft des Sozialamtes können – je nach Bedarf – jederzeit zusätzliche Turnhallen umgerüstet werden. In einem Fall hatten die städtischen Mitarbeiter gerade einmal zwei Tage Zeit, um eine Halle herzurichten.

Sind Prognosen möglich?

Ja, sie haben jedoch einen großen Unsicherheitsfaktor, da niemand weiß, wie viele Menschen tatsächlich kommen. Für dieses Jahr geht die Stadt davon aus, dass bis zum Jahresende rund 2700 Flüchtlinge in Bochum leben werden. Dafür hat das Sozialamt den Bedarf von 965 zusätzlichen Plätzen errechnet. Auf seiner letzten Sitzung vor den Ferien hat dies der Rat beschlossen.

Es kommen Menschen

Ein Beispiel: Muhammad Adeel spricht fließend Englisch. Seit dem 16. Dezember letzten Jahres ist er in Deutschland. Nach mehreren Zwischenstationen kam er nach Bochum. Er habe die Millionenstadt Mandi Bahuddin im Osten Pakistans verlassen, weil er dort massive Probleme gehabt habe. „Hier in der Turnhalle bleiben mir nur meine Gebete“, erzählte uns der gläubige Muslim bei einem Treffen im März. Damals hoffte der junge Mann, in Deutschland bleiben zu können, um die Sprache zu lernen und die Regeln zu verstehen.

Fäden laufen im Sozialamt zusammen

Beim Amt für Soziales und Wohnen laufen in Bochum die Fäden zusammen. Amtsleiterin ist seit genau einem Jahr Ute Bogucki. Aktuell hat das Amt mit Unterstützung anderer städtischer Behörden die Unterkunfts-Kapazitäten in nur wenigen Monaten auf jetzt 1763 Plätze verdoppelt, die allerdings nicht ständig komplett zur Verfügung stehen.

Kaum jemand weiß, dass im Ernstfall Räumlichkeiten auch durch die Stadt beschlagnahmt werden können. Doch bislang funktioniert das Konzept der freiwilligen Kooperation hervorragend. „Wir haben vor allem hier in Bochum deshalb kaum Probleme, weil wir auf eine umfassende Information der Nachbarschaft setzen, bevor irgendwo eine Flüchtlingseinrichtung in Betrieb genommen wird.“ Der Rat hat nun beschlossen, dass dabei künftig auch die Bezirksverwaltungen eine größere Rolle spielen sollen. Schon allein deshalb, um die angespannte Personalsituation ein wenig abzumildern.

Es gibt bislang nur wenige Konflikte

Konflikte gibt es – bisher jedenfalls – nur wenige. Die meisten Probleme entwickeln sich aus dem direkten Nebeneinander von eingesessener Wohnbevölkerung und Flüchtlingsunterkünften. Bislang fährt die Stadt recht erfolgreich die Strategie, keine Einrichtung mit wesentlich mehr als 100 Menschen zu belegen. Bei größeren Unterkünften steige erfahrungsgemäß das Konfliktpotenzial. Dass der Rat die ehemalige Kaserne der Bereitschaftspolizei an der Castroper Straße mit rund 200 Menschen belegen möchte, ist bei vielen Fachleuten nicht nur auf Zustimmung gestoßen.

Das ehrenamtliche Engagement aus der Mitte der Bevölkerung wird mittlerweile professionell von einer eigens geschaffenen Stelle bei der Stadt unterstützt. Wo und wie der Einzelne sich engagieren kann, auch das soll im Rahmen der WAZ-Serie dargestellt und ganz praktisch als Service vermittelt werden.