Bochum. Die WAZ blickt in einer fünfteiligen Serie auf die Spielzeit 2014/15 im Schauspielhaus zurück. 2. Folge: Die Schauspieler

Was wäre ein Theater ohne die Schauspieler? Nichts! Und deshalb richtet sich der Blick der Zuschauer stärker noch als auf die Regisseure und deren Konzepte auf jene Künstler/innen, die die Bretter, die die Welt bedeuten, mit Leben füllen. Ihnen vertrauen wir uns an, wenn es um Welterklärung geht.

Das aktuelle Bochumer Ensemble ist eine eingespielte Truppe, die ohne Star auskommt, und die mit souveräner Rollenpräsenz das Spektrum zwischen Leicht und Ernst locker abdeckt. Günter Alt („Ein Sommernachtstraum“), Juliane Fisch („Viel Lärm um nichts“), Minna Wündrich („Michel“), Sarah Grunert („Raus aus dem Swimmingpool“) und Matthias Kelle („Drei Männer im Schnee“) stehen neben Mimen, die seit Anselm Webers Dienstantritt 2010 in Bochum wirken, etwa Katharina Linder („Hexenjagd“, „Einsame Menschen“) oder Roland Riebeling („Viel Lärm um nichts“). Gäste wie Mechthild Großmann („Besuch der alten Dame“) oder Dietmar Bär („Gift“) ergänzen diesen Kreis von soliden, überzeugenden Spielern.

Anrührend über den Text hinaus

Jeder Theater-Fan weiß aber, dass es auch jene geben muss, die eben nicht ihre Rollen nur gut verkörpern, sondern auch die Zwischenräume und Abgründe zeigen, die jede Bühnenfigur hat. Die mit kleinsten Gesten – einem Augenaufschlag, einem Schritt zur Seite, einer Handbewegung, einem Atemholen – eine Figur erfassen, über den Text hinaus.

Jana Schulz kann das (großartig als Käthe in „Einsame Menschen“), aber auch Friederike Becht, die in „Kabale und Liebe“ die Luise so anrührend spielte, dass es immer noch weh tut, wenn man an die arme, verratene Musikerstocher zurückdenkt. Becht war vielleicht auch die einzige, die als Mary in der hölzernen „Hexenjagd“ gerade nicht hölzern ‘rüberkam.

Florian Lange und Bettina Engelhardt ganz stark

In die Reihe von Akteuren mit Tiefgang gehört natürlich Bettina Engelhardt, die gerade schwierige Rollen so präzise spielt, dass es immer beklemmend ist für den Zuschauer, dem sie so wenig schenkt wie sich in ihren Rollen. Man denke an ihre weltverlorene Vorstadtschlampe in „Freitag“ und an ihr Erscheinen in „Gift“, wo sie eine taffe und doch fragile Frau spielt, die verloren gegangen ist in der Entfernung zwischen den Momenten ihres Leben, die waren, und die sein werden. Das war große Kunst!

Stark in der Figurenzeichnung ist auch Florian Lange, der wieder einmal gezeigt hat, dass auch ein gestandener Schauspieler noch wachsen kann. Er spielt oft mit Erwartungen an seine Rolle, seine Figur, die er dann mit großer Gelassenheit unterläuft. Diesmal als verschlagener Kapitalist in „Delikatessen“, als aasiger Hofrat Wurm in „Kabale“ und in seinem sprudelnden quasi-Solo „Hans im Glück“. Immer verschafft Lange uns Bühnenmomente von großer Eindringlichkeit.

Kristina Peters braucht endlich eine Titelrolle!

Eine, die das Zeug zu so viel mehr hat, als sie in Bochum zeigen darf, ist Kristina Peters. Leider wird die 30-Jährige dauernd unter ihren Möglichkeiten besetzt. Was sie kann, hat sie als tussige Lady Milford in „Kabale“ eindringlich gezeigt, aber auch als verhuschte Hospitantin in „Es wird einmal“. Vor allem war sie als verführerisch-verschreckte Lolita in „Freitag“ überaus stark. Dort ist sie in dem verstörenden Inzest-Video zu sehen, und hat am Ende nur einen Mini-Szene, die ohne jedes Wort, nur durch ihren Auftritt das eben gesehene Familiendrama auf den auswegslosen Punkt bringt.

Endlich eine Titelrolle für Kristina Peters, das wünschen wir uns!