Bochum. Professoren des Universitätsklinikums boten im Blue Square 100 Zuhörern geballtes Wissen zu Alzheimer, Schlaganfall, Herztod, Krebs und Inkontinenz.
Der 50. Geburtstag der Ruhr-Universität war Anlass, die Jahre nach der Lebensmitte genauer unter die Lupe zu nehmen. Beim WAZ-Medizinforum spezial „Gesund sein und bleiben in Bochum um die 50“ im Blue Square arbeiteten sich fünf Professoren des Universitätsklinikums in spannenden Vorträgen vom Kopf über das Herz bis hin zu Darm und Blase.
Professor Georg Juckel sprach über „Gedächtnisprobleme und Stimmungsschwankungen“. Der Psychiater machte deutlich, dass sich hinter trüber Laune eine Krankheit verbergen kann. „Mehr als 50 Prozent der Erkrankten über 50 werden nicht als depressiv erkannt oder falsch behandelt“, so Juckel. Auch hinter dem vorwiegend in Deutschland als „Burnout“ bezeichneten Zustand verberge sich oft eine Depression.
Alzheimer vorbeugen
Auch Frühstadien einer Alzheimer-Erkrankung machten sich mitunter durch eine depressive Stimmung bemerkbar, so der Arzt. In der Demenz-Diagnostik seien aktuell Verfahren, die die Struktur des Gehirns abbilden, ein zentrales Interesse. „Ziel ist es, die Pathologie von Alzheimer zu finden und dazustellen“, so Juckel. Um Alzheimer vorzubeugen riet er dazu, die „Neuroplastizität“ zu stärken, was heiße, sich intensiv und vielfältig mit Themen und Fertigkeiten auseinanderzusetzen.
Über erstaunliche Fortschritte in der Rehabilitation berichtete Professor Martin Tegenthoff. Er zeigte Filme aus der Arbeit mit einem Exoskelett. Der Roboteranzug helfe sogar Querschnittsverletzten, das Laufen wieder zu erlernen, schilderte er. „Im Moment sieht es so aus, dass die Krankenkassen die Therapie für Querschnittsverletzte bezahlen werden“, informierte er. Auch die Arbeit mit einem Handschuh, der die Nerven an den Fingerspitzen stimuliert oder eine spezielle Sehtherapie könnten Schlaganfallschäden teils wieder beheben, so der Neurologe.
Der plötzliche Herztod und seine Ursache, das Kammerflimmern, war Thema von Professor Andreas Mügge. „Die einzige bekannte Methode dieses Kammerflimmerns zu beenden, ist ein Elektroschock“, so der Kardiologe. Dieser müsse in den ersten zehn Minuten erfolgen, sonst sei es zu spät. In Bochum seien dafür mehr als 200 Defibrillatoren verteilt worden. „Mir persönlich sind fünf Personen bekannt, die dadurch gerettet wurden.“
Früherkennung etwa bei Darmkrebs
Von Interesse war auch der Vortrag von Professor Wolff Schmiegel, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft. Er sprach über den „Krebs-Tsunami“, der die alternde Gesellschaft in diesen und den nächsten Generationen überrollen werde. Bis 2030 rechneten die Experten in Deutschland mit einem Anstieg der Neuerkrankungen um 30 Prozent bei aktuell 477.000 jährlich. Immer mehr Patienten würden auch immer länger mit der Krankheit überleben. Schmiegel warb für die Früherkennung etwa bei Darmkrebs. „Es geht nicht darum, Krebs in einem frühen Stadium zu erkennen, sondern seine Vorläufer“, so Schmiegel.
Abschließend holte der Urologe Professor Joachim Noldus die Harninkontinenz aus der Tabuzone und präsentierte zahlreiche Therapieformen für dieses belastende Problem, das vor allem Frauen jenseits der 50 treffen könne.
Medizinische Fakultät der RUB schrieb Geschichte
Der Kinderarzt und Pneumologe Professor Albrecht Bufe trat am Dienstagabend als erster vor das Publikum, um die Geschichte der medizinischen Ausbildung an der Ruhr-Universität zu skizzieren. Eins wurde dabei mehr als klar: Bochum setzt wirtschaftlich nicht ohne Grund ganz besonders auf den Medizin- und Gesundheitssektor.
Bufe war emotional noch ganz bei dem großen Festakt zum 50. Geburtstag der RUB, bei dem auch Bundespräsident Joachim Gauck und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gratulierten. So setzte er zu Beginn seines Vortrags eine RUB-Kappe auf, und bekannte sich damit zu einer „Corporate Identiy“, wie er sagte, was in etwa heißt: Die Universität hat eine eigene Persönlichkeit, einen Charakter.
"Wir sind jetzt das größte Universitätsklinikum in Deutschland“
Dann schilderte Bufe wie das damals war mit dem Bochumer Modell. Als 1975 alle Investitionen in ein Universitätsklinikum gestoppt wurden, entschied die Universität mit den ansässigen Krankenhäusern zusammenzuarbeiten – das Bochumer Modell war geboren. Aus der Not wurde eine Tugend. Neben sechs Krankenhäusern des Universitätsklinikums in Bochum, Herne und Bad Oeynhausen seien heute 230 Lehrpraxen für die praktische Ausbildung angegliedert. „Kürzlich konnten wir nach politischem Willen der Landesregierung vier weitere Kliniken gewinnen. Wir nennen das den Standort Ostwestfalen-Lippe. Mit mehr als 5000 Betten sind wir jetzt das größte Universitätsklinikum in Deutschland“, so Bufe.
Die Studierenden fänden in Bochum beste Bedingungen für ihre medizinische Ausbildung: „Viele haben sich aus dem Arbeitermilieu heraufgearbeitet“, sagte er. Künftig solle ein Modellstudiengang, in dem Studenten vom ersten Semester an praktisch mit Krankheiten konfrontiert werden, mit dem Regelstudiengang kombiniert werden.
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