Bochum. . Ein kleiner mit Bäumen umsäumter Fußweg versteckt an der Hattinger Straße, zwischen Kohlen- und Knoopstraße, führt in eine beschauliche Wohnsiedlung.
Ein kleiner mit Bäumen umsäumter Fußweg versteckt an der Hattinger Straße, zwischen Kohlen- und Knoopstraße, führt in eine beschauliche Wohnsiedlung. Viele der Häuschen dort sind zweistöckig – teils renoviert und herausgeputzt, teils aber auch im rohen, tristen Urzustand. Ein bräunliches Grau ziert diese Hausfassaden, die in den 50er Jahren erbaut worden sind. Damals boomte die Stahlindustrie im anliegenden Industriegebiet Rombacher Hütte. Möglichst schnell musste für die Arbeiter Wohnraum geschaffen werden.
Die ehemalige Arbeitersiedlung Lange Malterse in Weitmar-Bärendorf entfernt sich langsam vom Industrie-Image. Ein- und Zweifamilienhäuser und grüne Inseln mit Spielplätzen werten diesen Lebensraum auf. Auffällig sind zunächst einmal die kleinen Fenster in den Wohnhäusern – typisch für die Bauweise in der Blütezeit der Kohleindustrie. Adrett sind die Gebäude nebeneinander positioniert. Sie sind entweder mit gepflegtem Vorgarten, ordentlich gehakten Blumenbeeten oder einer großen Rasenfläche dekoriert. Man sieht einige Bewohner rauchend auf ihren Balkonen. Es ist ziemlich ruhig an diesem Vormittag in der Langen Malterse – bis die Sonnenschule (1) Schluss hat. Dann radeln die Grundschüler auf ihren Fahrrädern nach Hause, Busse schlängeln sich durch die Dreißiger-Zone. Kinderlachen schallt durch die Siedlung. Dann wieder Stille.
Kinder spielen in der Kinderarche
Beschaulichkeit beschreibt diese Idylle wohl treffend. In dieser Straße ist nur wenig los, könnte man denken. Doch hinter einer hohen Hecke und einem großen Zaun, da toben und spielen Kinder in der Kinderarche (2). Gerade erst hat die Kindertagesstätte einen neuen, lichtdurchfluteten Anbau bekommen, auf den die Leiterin Nora Kopischke ziemlich stolz ist. „Das Holzgebäude mit den großen Fenstern
stellt die Arche Noah dar“, erklärt Kopischke. Seit 2004 leitet sie die Einrichtung und mit 14 weiteren pädagogischen Mitarbeitern werden hier 82 Kinder, die zwischen vier Monaten und sechs Jahren alt sind, betreut.
Pfarrehepaar ist für die Gemeinde da
Seit 2002 wohnt Andreas Menzel mit seiner Frau Ulrike im Pfarrhaus in der Langen Malterse. Das Pfarr-Ehepaar ist für die Gemeinden in Weitmar und Dahlhausen zuständig. Gebürtig stammt er aus Kreuztal bei Siegen, arbeitet jedoch seit vielen Jahren schon im Ruhrgebiet – zuletzt noch in Hattingen und Witten.
Nun ist seine Heimat die Lange Malterse. Als angenehm beschreibt er das Leben dort. Er schätzt den Kontakt, den er und seine Frau zu ihrer Gemeinde haben – obwohl sie eben nicht direkt neben ihrer Kirche wohnen. Das sei das Besondere an seiner Wohnsituation, erklärt der 48-Jährige. Das Pfarrhaus, das er bewohnt, befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kinderarche, mit der der Pfarrer eng zusammenarbeitet und beispielsweise Kindergottesdienste gestaltet. Er liebt nicht nur die kulturelle Vielfalt, die die Straße zu bieten hat, auch die Zusammenarbeit mit Menschen aus den unterschiedlichsten Altersgenerationen fordert ihn immer wieder heraus.
Oft schauen auch Ulrike und An-dreas Menzel in der Einrichtung vorbei. Das Pfarrehepaar wohnt im Pfarrhaus nebenan und die evangelische Kindertagesstätte gehört mit zu ihrem Arbeitsgebiet. Sie erzählen vom 100-jährigen Jubiläum, das die Einrichtung im Jahr 2006 gefeiert hat. „Da war in der ganzen Straße was los“, sagt die Pfarrerin. „Alle haben mit angepackt und ein tolles Programm auf die Beine gestellt“, erinnert sie sich. In der Langen Malterse kann es auch mal laut und aufregend sein.
Gemeindehaus war Treffpunkt
Damals stand auch noch das Gemeindehaus (3) der Matthäus-Gemeinde. Heute ist an seiner Stelle der Spielplatz der Kinderarche. Auf den weichen Mulch-Splittern toben jetzt die Kinder, sitzen auf der Schaukel, schaukeln um die Wette. „2007 musste das Gemeindehaus abgerissen werden. Es war baufällig“, erklärt Andreas Menzel. „Es war ein wichtiger Treffpunkt für die Nachbarschaft. Das Haus bildete einen sozialen Treffpunkt hier in der Straße. Die Frauenhilfe und eine Strickgruppe trafen sich hier regelmäßig. Die Konfirmanden hatten hier ihren Unterricht und eine Kinderkirche haben wir oft organisiert.“ Jetzt ersetzt die Kinderarche ein Stück weit diesen Treffpunkt und bietet beispielsweise einen Montagskaffee als Familientreffpunkt an.
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„Es ist ein gemischtes Wohngebiet“, findet der Pfarrer. „Zwar gibt es noch einige Ursprungsbewohner, doch die Struktur hat sich verändert. Es leben weniger Familien hier, dafür mehr junge Leute, Alleinstehende sowie Studenten“, hat er beobachtet. Als „Vorzeige-Mustersiedlung“, würde Ulrike Menzel die Lange Malterse von damals beschreiben. Da konnten Kinder noch auf der Straße spielen.
Anonyme Tristesse
Jetzt stehen links und rechts auf dem Bürgersteig die parkenden Autos. Einen Spielplatz gibt es in der Straße. Der sieht wenig liebevoll aus. Ist wohl etwas in die Jahre gekommen. Hunde verrichten dort ihre Geschäfte. Der Dreck bleibt liegen. Anonymes Vorstadtleben. Sonstige Parks oder Grünflächen gibt es in unmittelbarer Nähe nicht.
Spaziert man der Brantropstraße entgegen, werden die Häuser höher. In den Mietwohnungen leben die Menschen dicht nebeneinander. Niemand stört sich am herumliegenden Sperrmüll vor dem Hauseingang. Der wird wohl noch einige Zeit dort liegen bleiben.
Erinnerung an Hohlmaß
Dass die Straße Lange Malterse, der Name stammt übrigens von einem alten Hohlmaß, erst 1954 benannt worden ist, hat einen Grund. Bis dahin war das Landstück zwischen Hattinger Straße und Schützenstraße noch Ackerland, das ehemals dem dort ansässigen Hof Knoop-Ternedden gehörte.
Die Herkunft des Namens geht auf ein langgestrecktes Ackerstück zurück. In alter Zeit wurde anstelle einer genauen Feldmessung die Größe des Ackers an der Menge Korn gemessen, die zur Aussaat benötigt wurde. Also ein Feld in der Größe einer Anzahl Maltersaat.
1952 bauten die damaligen Rheinischen Wohnstätten im Auftrag des Bochumer Vereins, dessen Werk Weitmar, nördlich der Straße lag, eine Großsiedlung mit Wohnungen und Eigenheimen für Werksangehörige. Architekt des Entwurfs war Helmut Pehlke. Nach dem Krieg wurde dringend neuer Wohnraum benötigt.
Lange Malterse