Bochum. In der neuesten Folge der WAZ-Serie über Bochums Straßen geht es um die Kohlenstraße. Dort liegen Handel, Gewerbe und Kunst nah beieinander.

Geschäfte, Industrie, Wohnraum, Autobahnbrücke, Tunnel, Kunst und grüne Mittelstreifen – in dieser Straße gibt es viel zu entdecken. Geht man mit offenen Augen und Ohren durch die Kohlenstraße, erzählt sie Bände. Geschichten, die sich von Weitmar-Bärendorf an der Hattinger Straße bis hin nach Goldhamme ans Westend erstrecken.

Beginnen wir die Reise im ersten „Abschnitt“ der Kohlenstraße. An der Ecke Hattinger Straße bis hin zum Tunnel des Oviedo-Rings. Dort nämlich macht die Straße einen kleinen Schlenker und führt in den nächsten Teil, der eher industriell geprägt ist. In Bärendorf betreibt das Ehepaar Martina und Frank Pfeifer seit 34 Jahren seinen Lotto-Laden (1). In dem kleinen Geschäft steckt auf wenigen Quadratmetern viel Herzblut: „Hier gibt’s nicht nur Lotto und Tabak, wir sind auch Berater und Zuhörer für unsere Kunden“, erklärt der muntere Besitzer. Mit Lebenslust und Heiterkeit führt der 57-Jährige den Laden und hat dabei immer einen Spruch auf den Lippen. Jeden Tag kommen die Stammgäste wie Ursula Schiller. Als sie den Laden betritt, wird sie von Pfeifer mit ihrem Namen begrüßt – eine familiäre Atmosphäre.

„Seit 2000 komme ich regelmäßig für Zeitschriften und Zigaretten.“ Sie weiß, was sie an den Pfeifers hat: „Hier kann ich auch mal meinen Frust ablassen“, lacht sie. „Ja bei uns brodelt die Gerüchteküche manchmal. Hier wird gequakt und sich unterhalten“, versichert Pfeifer: „Da darf jeder seinen Senf dazu geben.“ Geöffnet hat der Lotto-Laden so gut wie jeden Tag. „Nur nicht Montagnachmittag – da muss ich mich vom Wochenende erholen“, erzählt Pfeifer mit einem ironischen Augenzwinkern.

Nur wenige Schritte trennen Kioske

Direkt gegenüber von den Pfeifers rivalisieren zwei Kioske um die Gunst der Kunden. Die Büdchen liegen nur wenige Schritte auseinander. Die eine Trinkhalle ist begehbar und wird betrieben von Emirhan Göcer. Unmittelbar daneben verkauft Familie Atik gemischte Tüten, Kaffee und Bier am Fenster der Ladentheke von „Ihr Alter Kiosk“ (2). Seit 2009 haben die Kunden nun die Qual der Wahl, in welchem der beiden Kioske sie ihren morgendlichen Koffein-Muntermacher und das belegte Frühstücksbrötchen kaufen wollen. Die anfänglichen Anfeindungen hätten aber mittlerweile ein Ende gefunden. „Momentan ist es ruhig zwischen uns“, versichert Göcer.

Der Spaziergang geht weiter in Richtung Oviedo-Ring, vorbei an Auto-Werkstätten, einer Bäckerei und der Betriebswarte für den Oviedo-Tunnel, der dort unter der Kohlenstraße herführt. Nun gelangt man in den industriell geprägten Teil der Straße, unweit des Industriegebiets „Rombacher Hütte“. Dort fällt eine große Nagel-Statue auf, die in den Himmel ragt. Der riesige Parkplatz des naheliegenden gelben Baumarkt-Gebäudes ist einsam und verlassen. Die Einsamkeit wirkt bizarr mitten im geschäftigen Gewerbegebiet.

Erlebnisgastronomie auf 600 Quadratmetern

Bis ins Jahr 2003 war hier die Großraumdisco „Tarm-Center“ (3) zu finden. Auf einer Fläche von 600 Quadratmetern konnten Besucher trinken, tanzen, essen und sogar schwimmen gehen. Erlebnisgastronomie nannte sich dieses Konzept. Rund 17 Jahre lang hielt sich die Diskothek. Heute befindet sich dort der Nachtclub „Taksim.“

Vom Industriegebiet geht es nun wieder über den Oviedo-Ring und über den kunstvollen Kohlenstraßen-Kreisverkehr, durch den sich die Schwerlaster schlängeln. Ab dort wird die Kohlenstraße zweispurig weitergeführt. Großzügig und sogar ein bisschen grün ist die im Mittelstreifen mit Bäumen gesäumte Straße. Die hübschen Wohnhaus-Fassaden zeigen sich farbenprächtig.

Stadtumbaubüro ist für Bürger da

Man ist im Westend angekommen, genauer in Goldhamme an der Ecke zur Alleestraße. Eilig hasten die Fußgänger zur Straßenbahn, die sich dort durch den letzten Abschnitt der Kohlenstraße schiebt.

Hinter der Hausnummer 213 befindet sich das Stadtumbaubüro (4) der Stadt Bochum. Natalie Roemert und Halil Simsek kümmern sich um Raumplanung, Stadtentwicklung und sozial-integrative Maßnahmen für das Westend. „Wir wollen hier für und mit den Bürgern im Stadtteil planen“, erklärt Roemert vom Stadtumbau-Management. Das Büro in der Kohlenstraße soll Anlaufstelle für Anwohner sein, die den Stadtteil mit umgestalten wollen.

So wie die Reise begonnen hat, so endet sie fast auch. Am letzten Zipfel der Kohlenstraße, die dort eine Einbahnstraße inmitten bunter Fassadenstuck-Häuserblöcken bildet, befindet sich wieder ein kleiner Kiosk für Cola und Klümpchen.