Bochum. Thyssen-Krupp und Voestalpine zahlten wegen Preisabsprachen bereits hunderte Millionen. Jetzt stehen Mitarbeiter vor Gericht - und geben alles zu.

Auf einmal kamen dem einstigen Stahlmanager die Tränen: Im ersten Strafprozess um das sogenannte "Schienenkartell" ist einer der Angeklagten am Montag kurzfristig von seinen Emotionen übermannt worden. Der 57-Jährige - einst einflussreiches Vorstandsmitglied des österreichischen Stahlkonzerns Voestalpine - musste sein Geständnis vor dem Bochumer Landgericht mehrfach unterbrechen. Dann stellte er sich direkt vor seine mitangeklagten früheren Mitarbeiter: "Ohne meine Duldung der Kartellstrukturen stünden sie jetzt nicht vor Gericht."

Sieben Manager, sieben Bilderbuch-Karrieren: Alle Angeklagten haben sich immer weiter nach oben gearbeitet - bis in die Führungsetagen von Voestalpine und Thyssen-Krupp. Ihr Spezialgebiet: das Schienengeschäft. Was lange im Verborgenen blieb: Nach jeder Ausschreibung der Deutschen Bahn wurden Preise und Quoten abgesprochen. Wer den Zuschlag erhalten sollte, stand von vorneherein fest.

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"Die Bahn hatte eine Marktmacht, die viele dazu gebracht hat, über Umwege nachzudenken", sagte Rechtsanwalt Jürgen Wessing, der einen Ex-Geschäftsführer einer Voestalpine-Tochter vertritt. Selbst Staatsanwalt Ekkehart Carl sagte außerhalb der Verhandlung: "Die Angeklagten haben das Kartell nicht erfunden. Es war ein lange bestehendes System, in das sie hineingewachsen sind."

Persönlich bereichert haben sich die Ex-Manager wohl nicht. "Die Angeklagten haben sich aber natürlich Anerkennung und Karrieresprünge erhofft", sagte der Bochumer Rechtsanwalt Heinrich Harrfeldt, der einen Ex-Vertriebsleiter einer Voestalpine-Tochter verteidigt.

Die Angeklagten hoffen auf Straffreiheit

Wie es überhaupt soweit kommen konnte? Der ehemalige Voestalpine-Vorstand zeigte bei der Beantwortung der Frage eindeutig in Richtung Thyssen-Krupp. Entstanden sei das System durch die marktbeherrschende Position des Essener Stahlkonzerns. Voestalpine sei durch die Übernahme einer Produktionsstätte in Duisburg eine Zwangsehe eingegangen, die sich zu einer Art "Geiselhaft" entwickelt habe. "Mein Fehler war es, meine Opposition gegen diese Zwangsverbindung aufgegeben zu haben", sagte der 58-Jährige den Richtern.

Die Angeklagten hoffen, wegen ihrer Hilfe bei der Aufklärung straffrei aus dem Prozess herauszukommen. Ihre Verteidiger haben bereits Einstellungen gegen Geldauflagen gefordert. (dpa)