Bochum. Erinnerungen an verschiedene Aufritte des verstorbenen Literaten in Bochum. Zuletzt weilte der Nobelpreisträger Günter Grass 2010 in unserer Stadt.

Der Tod von Günter Grass hat auch in Bochum Betroffenheit ausgelöst. Zwar war der Literat kein „Bochumer“ im engeren Sinne, aber der Blechtrommler war des Öfteren in unserer Stadt zu Gast, zu Lesungen und literarischen Diskussionen.

„Er war ein Künstler, aber auch ein Mensch, mit dem man ganz ,normal’ und offen reden konnte“, erinnert sich der Verleger Norbert Brockmeyer an einen geselligen Nach-Lese-Abend mit G.G. im früheren „Alt Nürnberg“ vis-à-vis des Schauspielhauses.

Zuletzt war Günter Grass vor fünf Jahren in Bochum, während einer sehr gut besuchten Lesung im Schauspielhaus stellte er sein Buch „Grimms Wörter“ vor. Menschenschlangen vor dem Eingang, ebensolche hinterher vorm Signiertisch des Meisters, der zu dieser Leser-Pflege ganz leger den üblichen braunen Sakko abgelegt hatte.

„Zentrale Gestalt der Nachkriegsliteratur“

Ralph Köhnen, Vorsitzender der Literarischen Gesellschaft, schätzt Grass als eine der zentralen Gestalten der deutschen Nachkriegsliteratur. „Der Blechtrommel-Roman (1959) wurde zur wegweisenden politischen Vergangenheitsbewältigung Nazi-Deutschlands und ist Schul- und Studienstoff geblieben – auch wenn die Berücksichtigung von Grass in den Lehrplänen abgenommen hat“, sagt Köhnen.

Für polarisierende Themen war der Nobelpreisträger immer zu haben – in „Ein weites Feld“ 1995 formulierte er Kritik an einer einseitig vollzogenen Wiedervereinigung zu Lasten der DDR, was wiederum auf viel Medienschelte stieß. An gerade dieses Buch und dessen Thema erinnert sich der langjährige Vorsitzende der Literarischen Gesellschaft, Harro Müller-Michaels.

Oskar Matzerath gleich siebenmal auf der Bühne

„Grass war unmittelbar nach der Wende in Bochum, und ich hatte einige Mühe, die Diskussion nicht abgleiten zu lassen“, erinnert sich der emeritierte Germanistik-Professor. Das Publikum wollte immer wieder Stellungnahmen des Schriftstellers zur damals noch im Ungefähren liegenden Zukunft der beiden Deutschlands hören.

„Die Blechtrommel“ wurde übrigens auch als Bühnenstück aufgeführt, und zwar in Bochum. In der Jahrhunderthalle war es zur Ruhrtriennale 2010 als Gastspiel des Gorki-Theaters Berlin zu sehen. Das Publikum applaudierte lebhaft, aber Jan Bosses Inszenierung gab auch Rätsel auf: Die Rolle des Oskar Matzerath war auf sieben Schauspieler aufgeteilt.

Und noch einmal kommen Bochum und Grass zusammen: In seinem Buch „Mein Jahrhundert“ ist das Jahr 1969 der Ruhr-Universität gewidmet. Im Rückblick auf die Zeiten des Aufbegehrens nach 1968 lässt G.G. darin eine Frauen-Initiative alleinerziehender Studentinnen zu Ehren kommen – seinerzeit ein höchst modernes, emanzipatorisches Unterfangen.