Bochum. Pastoralreferent Alfons Zimmer erinnert an den Zug der Krümmede-Häftlinge vor 70 Jahren, die zum Kriegsende nach Celle verlegt wurden – zu Fuß.

Vor 70 Jahren, am 29. März 1945 um 20.30 Uhr, machte sich eine Kolonne von 520 Häftlingen aus dem ehemaligen Strafgefängnis Bochum, bis heute „Krümmede“ genannt, zu Fuß auf nach Celle, Niedersachsen. Daran erinnert jetzt Pastoralreferent Alfons Zimmer, der heute als Seelsorger in den Justizvollzugsanstalten Bochum (JVA) arbeitet.

„Wachpersonal und ein Pferdefuhrwerk mit Proviant und Decken begleiteten sie in Richtung Altenbochum. Die Stimmung aller Beteiligten war von Angst geprägt. Denn der erste Versuch der Gefängnisleitung, die Gefangenen per Zug zu verlegen, scheiterte nahe des Bahnhofs Nord (heute Ostring) an einem Angriff von alliierten Tieffliegern. Viele Tote und Verletzte waren die Folge“, so der Seelsorger aus der Krümmede weiter.

Eines von 520 Opfern

Seine Quelle sind die Tagebuchaufzeichnungen des Trierer Pfarrers Josef Reuland, der damals in der Krümmede einsaß. Zimmer: „Auf dem Marsch wurde er schon in Altenbochum aussortiert, weil er nicht mitkam. Ein Wachmann setzte zum Genickschuss an und schoss, Reuland überlebte jedoch wie durch ein Wunder.“ Nach seiner Genesung wirkte der Pfarrer noch bis 1958 in seiner Heimatgemeinde. Er litt jedoch unter Panikattacken und den körperlichen Folgen des Mordversuchs.

„Pfarrer Reuland war nur eines dieser 520 Opfer der nationalsozialistischen Diktatur“, erklärt der 58-jährige Seelsorger. Deshalb will er auch nicht nur von ihm reden: „Ich möchte anhand der Schicksale mehrerer Personen an eine Zeit erinnern, in der durch die willkürliche nationalsozialistische Gesetzgebung und Rechtsauslegung, ein Menschenleben nicht viel Wert war.“ Die heutige Justizverwaltung habe das zwar wissenschaftlich aufgearbeitet. Das Leid der damaligen Opfer soll jedoch ein Gesicht bekommen. Deshalb wandte sich Alfons Zimmer auch an die WAZ. Zudem beteiligt er sich am Antifaschistischen Gefängnisgang am 10. Mai, wo er mit Bildern der Gefangenen an deren Schicksale erinnern will.

Harte Strafen für geringe Vergehen

Reuland, erzählt Zimmer weiter, wurde 1942 verhaftet und vom Volksgerichtshof zu sieben Jahren Haft verurteilt. Grund: Er habe durch „unwahre ketzerische Behauptungen“, über die Religionsfeindschaft der Nationalsozialisten „Wehrzersetzung“ geleistet.

Antifaschistischer Gefängnisgang

Ein „Antifaschistischer Gefängnisgang“ findet am Sonntag, 10. Mai, um 14 Uhr statt. Treffpunkt ist vor der Krümmede. Es werden Bilder und Schicksale von dort inhaftierten und in KZ-Haft ermordeten Nazigegnern gezeigt.

Der Gedenktag endet am Friedhof Freigrafendamm an den Gräberfeldern von Kriegsgefangenen und Widerstandkämpfern.

Besonders bewegt hat Zimmer das Schicksal des 17-jährigen Niederländers Hendricus Lamers: „Am 9. Juli 1942 wurde er in Den Haag festgenommen, weil er entwertete Buttermarken gekauft und weiterverkauft hat.“ Das damalige Urteil hieß neun Monate Haft, die er größtenteils in der Krümmede verbrachte. „Die Justiz in den besetzten Ländern verbreitete durch solche harten Strafen für geringe Vergehen gerne Angst und Schrecken“, betont der Seelsorger dazu. Es gab damals viele Holländer, Belgier, Elsässer, Tschechen in der Anstalt, so das Tagebuch von Reuland.

Zu weiteren Justizopfern, die in Bochum neben „normalen“ Strafgefangenen einsaßen, gehörten auch unliebsame „Politische“, ethnische Gruppen oder Religionsgemeinschaften. Zimmer nennt beispielhaft Wilhelm Engel von der Zentrumspartei, Kommunist Werner Eggerath (wurde 1947 Regierungspräsident in Thüringen) oder Pfarrer Quiskamp, der einsaß, weil er seiner Christenpflicht nachkam und einen polnischen Zivilarbeiter beerdigte.