Bochum. Wende im Prozess um einen tödlichen Unfall in Bochum: Die 47-Jährige, die in den Gegenverkehr geriet, war wohl doch nicht durch eine SMS abgelenkt.

„Ich bin jetzt seit 25 Jahren bei der Justiztruppe, aber es ist das erste Mal, dass ich im Krankenhaus verhandle.“ Das sagte am Montag Richter Dr. Axel Deutscher auf Station 3.5 des Bochumer Bergmannsheils. Dort liegt ein 61-jähriger Motorradfahrer, der am 4. März 2014 auf der Hauptstraße in Langendreer von einer 47-jährigen Autofahrerin, die in den Gegenverkehr geriet, äußerst schwer verletzt worden war. Weil der Mann wegen Komplikationen bei der Heilung erneut stationär versorgt werden muss und nicht transportfähig ist, kam das Amtsgericht zu ihm ans Krankenbett - und richtete streng nach den Regeln der Strafprozessordnung eine Gerichtsverhandlung in einem Aufenthaltsraum der Unfallchirurgie ein.

Natürlich saß auch die Angeklagte mit Verteidiger in dem Zimmer. Der Staatsanwalt wirft ihr fahrlässige Tötung vor, denn nachdem ihr Cabrio damals den Motorradfahrer erfasst hatte, war sie frontal gegen einen ebenfalls entgegenkommenden Pkw gekracht. Dessen Insassen, eine Frau (77) und ein Mann (86), starben durch den Aufprall. Laut Gutachten war die Angeklagte 78 Stundenkilometer zu schnell gewesen, obwohl an der Stelle nur Tempo 50 erlaubt ist.

Nach den Regeln der Strafprozessordnung wurde eine Gerichtsverhandlung in einem Aufenthaltsraum der Unfallchirurgie ein.
Nach den Regeln der Strafprozessordnung wurde eine Gerichtsverhandlung in einem Aufenthaltsraum der Unfallchirurgie ein. © Walter Fischer

Laut Anklage soll die Autofahrerin auf die Gegenspur geraten sein, weil sie eine eingehende SMS gelesen habe und dadurch abgelenkt gewesen sei. Das aber bestreitet die Verteidigung: Die polizeiliche Auswertung der Handydaten sei falsch.

Hauptzeuge kann Anklage nicht stützen

Tatsächlich hat sich diese Einschätzung im Prozess erhärtet, so dass der Handy-Vorwurf wohl nicht aufrechterhalten werden kann. Hinzu kam, dass ein Hauptzeuge, der verletzte Motorradfahrer, am Montag im Krankenhaus nicht bestätigen konnte, dass die Angeklagte damals ein Handy in der Hand gehabt habe. Eine solche Annahme sei nur „reine Spekulation“. Er wisse nur, wie er nach dem Aufprall „über den Lenker“ geflogen sei. „Dann lag ich erstmal da.“

Während der Vernehmung lag er im Krankenbett. Einmal hob er seine Decke, um dem Gericht sein entsetzlich zugerichtetes Bein zu zeigen. Die Angeklagte sagte zu ihm mit tränenanfälliger Stimme: „Ich denke jeden Tag an Sie. Es tut mir unheimlich leid.“ Schon einmal hatte die Frau, die damals selbst schwer verletzt worden war, das Unfallopfer besucht. Die Äußerung klang wie die Bitte um Entschuldigung. Der Patient sagte: „Ich nehme an.“

Der Prozess wird fortgesetzt. Am 8. April soll das Urteil folgen.