Bochum. Bochum will künftig mehr Mitarbeiter in der Kita-Sozialarbeit einsetzen. Denn eine Studie zeigt: Arme Kinder sind schon früh benachteiligt.
Eine Neuausrichtung seiner Kinder- und Jugendarbeit strebt das Jugendamt an. Da wachsende Kinderarmut einher geht mit großen Bildungsdefiziten, wie eine Studie des Zentrums für interdisziplinäre Regionalforschung der Ruhr-Uni zeigt (die WAZ berichtete), will Bochum sich mit seiner Hilfe früher als bislang um „bildungsbenachteiligte Kinder in prekären Lebenslagen kümmern“, so Sozialdezernentin Britta Anger und Jugendamtsleiter Dolf Mehring.
Forscher hatten unter anderem festgestellt, dass 43 Prozent der armutsgefährdeten Kinder mangelhaft Deutsch sprechen und 24,5 Prozent der Kinder aus Hartz IV-Familien Probleme mit der Körperkoordination haben. Die Werte bei Kindern, die in gesicherten Einkommensverhältnissen leben, liegen derweil lediglich bei 14 bzw. 14,6 Prozent.
Da in den ersten drei Lebensjahren die entscheidenden Grundlagen für das Leben gelegt werden, sollen sich die Gewichte der Kinder- und Jugendarbeit in Bochum verändern und ein stärkeres Gewicht auf die Kita-Sozialarbeit gelegt werden, insgesamt gibt es 177 Kindertageseinrichtungen in der Stadt. Anstelle von Intervention im Jugendalter müsse viel stärker als bislang eine frühe Prävention rücken. So sollen ähnlich wie in der Schulsozialarbeit Eltern – auch und gerade mit Migrationshintergrund, deren Kinder häufig in prekären Lebenslagen aufwachsen – auf Hilfsangebote aufmerksam gemacht werden.
Vorreiterrolle in Deutschland
„Wir fragen uns schon länger, wie wir reagieren können“, sagt Britta Anger. Vor zwei Wochen sind die Pläne nun den Mitarbeitern vorgestellt worden. Vorstellbar sei, dass von den momentan 66 im Bereich der Intervention tätigen Beschäftigten des Jugendamts ein Teil künftig im Bereich der Prävention arbeitet, dem bislang 58 Stellen zugeordnet sind. Die Rede ist von zwölf Stellen, die der Kita-Sozialarbeit zugeordnet werden. Das gehe nicht von heute auf morgen, so Mehring. So müsse das Personal dafür geschult werden. Aber er gehe davon aus, dass sich genügend Mitarbeiter für diese Neuausrichtung interessieren und bewerben.
Mit der strukturellen Neuausrichtung würde Bochum eine Vorreiterrolle in der gesamten Republik einnehmen. Aus Fachkreisen weiß Dolf Mehring: „Es gucken jetzt viele auf uns.“
Wie in anderen Ruhrgebietsstädten auch, hat die Armut in der Region Bochum/Hagen dramatisch zugenommen. Sie wuchs nach einer Erhebung des Paritätischen zwischen 2004 und 2013 um 24,7 Prozent. Hinter Dortmund und Duisburg/Essen ist sie mittlerweile so hoch wie in keiner anderen Region des Reviers. Deutlich wird der wachsende Bedarf auch an der Entwicklung der Kosten für die „Hilfen zur Erziehung“. Binnen zehn Jahren stiegen sie seit 2004 von 28 Millionen Euro auf knapp 43 Millionen Euro. Und die Tendenz ist weiter steigend.