Bochum. Mit „Gift - eine Ehegeschichte“ gelingt Heike M. Götze eine beklemmende Inszenierung. Standing Ovations für Bettina Engelhardt und Dietmar Bär.

Mit dem Zwei-Personen-Stück „Gift – eine Ehegeschichte“ liefert Regisseurin Heike M. Götze eine beklemmende Inszenierung über ein schwieriges Thema ab, wobei die Aufführung in den Kammerspielen auch formal und szenisch ein dickes Ausrufezeichen setzt. Standing Ovations für eine bärenstarke Premiere am Samstag!

Selten war ein Applaus so gerechtfertigt wie nach diesem eineinhalbstündigen Seelen-Striptease von Bettina Engelhardt und Dietmar Bär als „Sie“ und „Er“ in einem Stück, das ausgerechnet in einer Trauerhalle spielt. Hier, auf dem Friedhof, wo ihr durch einen Unfall umgekommener Sohn beerdigt wurde, sehen sich Frau und Mann nach langer Trennung wieder. Schnell brechen die alten Wunden wieder auf. Sie hat sich an den gestorbenen Sohn geklammert und in Schmerz und Trauer vergraben, er ist weggezogen und hat mit einer Jüngeren ein Kind.

Trauer um das tote Kind

Die niederländische Autorin Lot Vekemans schrieb dieses Kammerspiel der leisen Töne, es ist eng gestrickt, geht aber behutsam und in einem fein gewirkten künstlerischen Sprachduktus den Gefühlen eines Elternpaares auf den Grund, das schon lange kein Paar mehr ist, und das nun eine Bestandsaufnahme des gemeinsamen Lebens und der Trennung versucht. Vorwürfe werden erneuert, alte Verletzungen beschworen, neue zugefügt. Die Trauer um das Kind verbindet nicht, sie trennt nur mehr. Er und Sie versuchen, den Anderen zu verstehen.Vergeblich. Es bleibt eine Fremdheit, die nicht zu überbrücken ist, und die keine Versöhnung erlaubt.

Tiefe Menschlichkeit

Diese zentrale Botschaft akzentuiert die Regisseurin durch einen nachgerade genialen Handgriff: Heike M. Götze lässt den Text zweimal spielen, aber diesmal mit vertauschten Rollen. So bekommt die Suche nach der persönlichen Wahrheit auf einmal Allgemeingültigkeit, Zuschreibungen wie „weibliches/männliches Rollenverhalten“ usw. werden gespiegelt und damit aufgebrochen. Der überraschte Zuschauer blickt gebannt auf diesen „Bruch“, der alles auf den Kopf zu stellen scheint, und der doch gerade dadurch die tiefe Menschlichkeit des Textes noch betont.

Bühne ist gut „verpackt“

Das Ganze spielt auf einer mit Stoffbahnen ausgeschlagenen, reduzierten Bühne, es wird mit Musik, Licht, „Regen“ und Nebel ein atmosphärisch dichtes Bühnengebinde ins Werk gesetzt, das in seinen fesselndsten Momenten fast wie eine eigene künstlerische Performance wirkt. Großartig!

Großartig aber auch die Besetzung. Sie und Er. Engelhardt und Bär. Noch in der fetzigsten Auseinandersetzung gibt es bei diesen Beiden noch Erinnerungen an Zärtlichkeit, Leichtigkeit, ja Komik. Er als tapsiger, blaffender Mann mit Gefühlswallungen, sie als taffe und doch fragile Frau, verloren gegangen in der Entfernung zwischen den Momenten ihres Lebens, die waren und die sein werden.

Das Bild, wie Bettina Engelhardt – nass das Haar, glänzend die Haut, feucht die Klamotten – im Wortsinn im Regen steht, bleibt unvergesslich!

Termine: 20., 27.3., 12., 26.4., Karten 0234/3333-5555