Bochum.. Der Weiße Ring in Bochum wird jetzt von der Rechtsanwältin Stephanie Ihrler geleitet. Mit der WAZ sprach sie über ihre Aufgaben und über Hilfsangebote der Opferschutzorganisation.
Stephanie Ihrler leitet jetzt die Opferschutzberatung „Weißer Ring“ in Bochum. Am kommenden Mittwoch wird sie im Polizeipräsidium offiziell in ihr Amt eingeführt. WAZ-Redakteur Bernd Kiesewetter sprach mit ihr.
Frau Ihrler, ich gratuliere zu Ihrem neuen Amt. Wie kamen Sie zu dieser Aufgabe?
Stephanie Ihrler: Ich bin ja schon seit 15 Jahren Mitarbeiterin in der Außenstelle Bochum. Bisher hat mein Vater sie geleitet. Und er scheidet zu seinem 70. Geburtstag als Leiter aus. Er bleibt aber Mitarbeiter.
Auf welche Weise hilft der Weiße Ring den Opfern von Straftaten?
Ihrler: Der menschliche Beistand und das Gespräch sind ganz wichtig - schnell, direkt und unbürokratisch. Wichtig ist, dass einer Zeit hat zuzuhören und das Opfer ernst nimmt. Dann begleiten wir Opfer bei Behördengängen wie zum Beispiel zum Jobcenter und unterstützen sie bei Antragstellungen. Wenn eine tatbedingte Notlage eintritt, etwa durch einen Handtaschendiebstahl, können wir finanzielle Hilfe leisten.
Um welche Straftaten geht es meistens?
Ihrler: Raubdelikte haben wir viele, Trickdiebstähle, Sexualdelikte, aber auch Einbruchstaten. Gerade diese werden in ihren Auswirkungen auf die Betroffenen sehr unterschätzt. Die Opfer sind in ihrem Sicherheitsgefühl beeinträchtigt und der Situation ausgeliefert: Sie können ja nicht einfach umziehen.
Wie vielen Opfern hilft der Weiße Ring pro Jahr?
Ihrler: Ungefähr 120. In allen Altersjahrgängen, vom Kleinkind bis zu Senioren.
Wie ist der Weiße Ring personell besetzt?
Ihrler: Wir haben jetzt zehn ehrenamtliche Mitarbeiter verschiedenster Professionen, teils berufstätig, teils im Ruhestand.
Werden Sie das Amt anders als Ihr Vater führen?
Ihrler: Ich gehe davon aus, weil doch jeder seinen eigenen Stil hat. Wir sind ein ganz nettes Team. Das ist erst in den vergangenen Jahren so entstanden. Meine Aufgabe ist es, das zu bewahren, denn nur wer sich gut versteht, kann auch für die Opfer gut eintreten.
Sie sind Rechtsanwältin. Wie sehr hilft Ihnen das beim Weißen Ring?
Ihrler: Mir sind dadurch schon viele Probleme der Opfer bekannt. Neben unseren eigenen Leistungen sehe ich den Weißen Ring als Lotse in den vielfältigen Hilfsangeboten, die individuell geeignetesten Beratungsstellen zu finden, zum Beispiel auf therapeutischer Ebene. Bei sexuellem Missbrauch zum Beispiel kann das „Neue Wege“ sein, die Beratungsstelle der Caritas.
In Strafprozessen vertreten Sie oft die Opfer sexuellen Missbrauchs. Was tut der Weiße Ring für sie?
Ihrler: Wir informieren die Opfer zum Beispiel über den Verfahrensgang nach Anzeigenerstattung. Wir begleiten die Opfer auch zu Gerichtsterminen. Und wir können in Ausnahmefällen auch einen Erholungsurlaub finanzieren.
Was sind die Hauptfolgen von sexuellem Missbrauch?
Ihrler: Es gibt Traumafolgestörungen wie zum Beispiel Schlafstörungen. Oder den Opfern drängen sich immer wieder Bilder der Tat auf. Einige leiden auch unter erheblichen Schuldgefühlen und Ängsten, sich zu bewegen wie vorher. Der Alltag wie vor der Tat ist vielen Betroffenen nicht mehr möglich.
Ihre Amtseinführung findet im Polizeipräsidium statt. Wie eng ist die Zusammenarbeit?
Ihrler: Wir arbeiten gut zusammen. Es gibt das Projekt des Opfermeldebogens. Wenn die Opfer einverstanden sind, werden wir per Fax informiert. Dann können wir den Kontakt zum Opfer aufnehmen. Im Verein haben wir auch selbst drei Polizeibeamte als Mitarbeiter.
Wir finanziert sich der Weiße Ring?
Ihrler: Über Spenden und die Beiträge der über 300 Vereinsmitglieder in Bochum beziehungsweise rund 55.000 Vereinsmitglieder bundesweit. Zum Teil erhalten wir auch Geld über Auflagen, die das Gericht oder die Staatsanwaltschaft gegen Beschuldigte verhängt, und über testamentarische Verfügungen. Wir erhalten keine öffentlichen Mittel.