Bochum. . Birgit Iserloh und Ralf Lambrecht stehen seit über 20 Jahren für anspruchsvolle Kinderstücke. Ihr Geheimnis: Sie nehmen ihre jungen Zuschauer ernst.
Am Morgen war die Heinrich-von-Kleist-Schule da. Zwei Klassen, 61 Kinder. Gemeinsam schauten sie sich eine der schönsten und langlebigsten Vorstellungen an, die das Theater Traumbaum im Programm hat: „Herr Niemand und Frau Anderswo“ erzählt einfühlsam und zutiefst berührend von zwei Menschen, die obdachlos sind. „Das ist natürlich ein ernstes Thema, bei dem es aber trotzdem etwas zu lachen gibt“, sagt Birgit Iserloh.
So sehen das auch die Schüler: Nach der Vorstellung sitzen sie noch eine Weile mit den beiden Schauspielern zusammen und diskutieren über Armut und Obdachlosigkeit. „Das Nachgespräch ist uns wichtig. Die jungen Leute saugen das richtig auf“, sagt Iserloh.
Gemeinsam mit ihrem Spielpartner Ralf Lambrecht führt sie das Theater Traumbaum seit 1991 im Kulturmagazin Gerthe als Zwei-Personen-Betrieb. Sie stehen erst an der Kasse, dann auf der Bühne, sie schreiben sämtliche Stücke selbst – und kümmern sich während der Vorstellungen sogar wie von Zauberhand um Licht und Musik. „Wie wir das alles zeitgleich schaffen, das war schon manchem Zuschauer ein Rätsel“, schmunzelt Ralf Lambrecht.
Wurzeln liegen im Figurentheater
Beide kommen vom Figurentheater. Birgit Iserloh war lange beim Kolleg in Langendreer dabei und machte später ihren Abschluss als Theaterpädagogin. Ralf Lambrecht hat es mal kurz auf einer klassischen Schauspielschule probiert, „aber da passte ich nicht rein“. Wie seine Kollegin ging er schließlich auf eine französische Zirkussschule. Der Hang zum Figurentheater sieht man den Stücken heute noch an: Immer wieder bauen sie Figuren mit ein, die berühmtesten sind gewiss Oma und Opa Hasenkötter.
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Im Kulturmagazin haben die beiden ihre Heimat gefunden. 16 Stücke haben sie entwickelt. Alles fing 1995 mit dem „Weihnachtswald“ an, der noch heute an Heiligabend für ein ausverkauftes Haus sorgt. Das Repertoire ist groß: Es gibt ein Märchen („Rosarot & Himmelblau“), ein herrliches Stück über den Urknall („Am Anfang“), eins über Cyber-Mobbing und das längst zum Klassiker gereifte „Stromboli – Knut und die Wut“ über den Umgang mit Gewalt und Aggression, das sie locker 400 Mal gespielt haben: für Jugendliche eben ein zeitloses Thema.
Lange Gastspielreisen
Unzählige Schulklassen habe ihre Stücke gesehen – übrigens auch auf langen Reisen. „Von Oktober bis März sind wir in Bochum, und danach sind wir weg“, sagt Ralf Lambrecht. Gastspiele führen sie quer durch die Republik. Dieses zweite Standbein ist den beiden wichtig: „Wenn es finanziell in Bochum mal nicht mehr reicht, dann können wir uns immer auf den Gastspiel-Betrieb verlassen.“
Dem Theater Traumbaum gelingt die Kunst, schwere Themen unterhaltsam und leicht auf die Bühne zu bringen, ohne gleich ins Kasperltheater abzurutschen. Ob es dafür ein Rezept gibt? Durchaus. „Wir suchen in unseren Stücken auch die ruhigen, sensiblen Momente“, sagt Iserloh. „Wenn man seine Zuschauer ernst nimmt, dann geht das.“