Bochum. Auch wenn das Wechselverhältnis von Euro und Schweizer Währung sich wieder erholen sollte, wird Bochum wohl einen Millionen-Verlust einfahren.
Mit der Freigabe des Wechselkurses zwischen Schweizer Franken und Euro hat die Schweizer Nationalbank den europäischen Wirtschaftsraum geschockt. Der Kurs fiel vom festgelegten Mindestwert von 1,20 Schweizer Franken für 1 Euro auf 1,04, gestern pendelte er sich bei etwa 1 Schweizer Franken ein.
Die Abwertung des Euros und Aufwertung des Franken hat schwerwiegende Folgen für Bochum. Welche, das erklärt die WAZ.
Warum trifft Bochum die Aufwertung des Schweizer Franken?
Die Stadt hat Anfang 2010 zwei Kredite in Höhe von insgesamt 150 Millionen Euro aufgenommen. Dafür erhielt sie bei einem damaligen Wechselkurs von etwa 1,47 Franken je Euro insgesamt knapp 221 Millionen Franken. Zurückgezahlt werden müssen diese Kredite in Franken. Durch die Aufwertung der Schweizer Währung, das Wechselverhältnis liegt derzeit etwa bei 1:1, müsste die Stadt momentan 221 Millionen Euro zur Ablösung der Kredite aufwenden – 71 Millionen Euro mehr als bei Kreditaufnahme.
Warum wurden überhaupt Kredite in Franken aufgenommen?
Da das Zinsniveau in der Schweiz lange Zeit niedriger war, laut Schuldenbericht der Stadt um etwa 1 Prozent, wurden die städtischen Haushalte über mehrere Jahre um, so Kämmerer Manfred Busch, insgesamt etwa 4 Millionen Euro Zinskosten entlastet.
Wann müssen die Kredite zurückgezahlt werden?
Eine Tranche in Höhe von derzeit 118 Millionen Franken ist fällig am 18. März. Für sie bereitet die Stadt eine Verlängerung vor, um auf einen besseren Wechselkurs warten zu können. Die zweite Tranche von 103 Millionen Franken ist fällig am 15. Juli. Der Kämmerer hofft, dass sich der Kurs wieder in Richtung 1,20 Franken je Euro entwickelt. Sollte es dazu kommen und beide Kredite zu diesem Kurs abgelöst werden, müssten dafür noch etwa 180 Millionen Euro aufgewendet werden. Der Mehraufwand gegenüber dem Zeitpunkt der Kreditaufnahme (150 Millionen Euro) würde dann aber immer noch 30 Millionen Euro betragen – davon abgezogen werden können die vier Millionen Euro Zinsersparnis. Es bliebe ein Minus von 26 Millionen Euro.
Erst einmal abwarten
Ist noch zu erwarten, dass das Geschäft positiv für Bochum endet?
Wohl eher nicht. Dazu müsste sich der Wechselkurs noch deutlich über 1,20 Franken je Euro entwickeln. Davon aber geht Kämmerer Busch nicht aus. Das sei nicht realistisch.
Wie sieht die Strategie des Kämmerers aus?
Er rät ab, die Kredite vor dem Hintergrund des aufgewerteten Schweizer Franken jetzt abzulösen, dies käme der Stadt sehr teuer. Er rät daher dazu, sie erst einmal zu verlängern. Bei einem günstigeren Wechselkurs von mindestens 1,20 CHF sollten sie dann aber abgelöst werden. „Wir können nur zuwarten“, so Busch. Seine Hoffnung wird unter anderem genährt durch eine Äußerung des Schweizer Nationalbank-Präsidenten Thomas Jordan. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagt dieser, „nach einer gewissen Zeit werde sich eine vernünftigere Bewertung“ des Franken einstellen.
Waren die Risiken von Fremdwährungskrediten absehbar?
Ja. Im Schuldenbericht der Stadt steht eindeutig: „Bei der Aufnahme von Fremdwährungskrediten entstehen Wechselkursrisiken, da Rückzahlungsbetrag und anfallende Zinsbeträge in Schweizer Franken angeschafft werden.“ Im Jahr 2013 sei die Wechselkursentwicklung nicht mehr so überschaubar und kalkulierbar gewesen wie in der Vergangenheit. „In Anbetracht dieser Entwicklungen scheidet die Neuaufnahme von Fremdwährungskrediten bis auf Weiteres aus.“
Hat die Stadt noch Kredite in anderen Währungen?
Nein.
1,67 Milliarden Euro Schulden
Wie viele Schulden hat Bochum derzeit?
Ende 2014 betrugen die Kassenkredite, vergleichbar der Überziehung des Girokontos im Privatbereich, 790,6 Millionen Euro – ohne die schwebenden Wechselkursverluste aus den Franken-Krediten. Die Kommunalkredite, die langfristigen Verbindlichkeiten, beliefen sich auf 880,4 Millionen Euro. Damit war Bochum mit 1,67 Milliarden Euro und jeder Bochumer mit etwa 4580 Euro öffentlichen Schulden belastet.
Hat das Finanzmanagement die Stadt in der Vergangenheit Verluste verursacht?
Das umstrittene Cross-Border-Geschäft ist „glimpflich“ ausgegangen, so die Verwaltung. Es habe einen Überschuss von 800.000 Euro erbracht. Die ebenfalls kritisierten „Swaps“, bei dem etwa Kreditlaufzeiten und -zinsen verändert werden, führen zu keinen Verlusten, so der Kämmerer. Wertberichtigt werden müssen womöglich die RWE-Aktien. Sie sind mit 34,25 Euro je Aktie bewertet (2012), was beim Besitz von Stadt (9489 Aktien) und Stadtwerke (6 648 637) einen Wert in 227 Millionen Euro bedeutet. Der aktuelle Kurswert der RWE-Aktie liegt aber nur bei 23,50 Euro. Das Aktienpaket ist demnach etwa 70 Millionen Euro weniger wert als in den Büchern steht.