Bochum. Als Oppositionspolitiker hatte es Justin Fonkeu (55) in Kamerun schwer. Heute lebt er in Mülheim, ist Grünen-Politiker und studiert an der Ruhr-Uni.
Kamerun wollte mitsegeln, „den demokratischen Wechselwind aufschnappen, der in den Neunzigern auf der ganzen Welt wehte“. So formuliert es Justin Fonkeu Nkwad, der sein Stück dazu beitragen wollte, um die Demokratie in Kamerun salonfähig zu machen. Er war bei der Sozialdemokratischen Front (SDF) aktiv, die die Ein-Partei-Diktatur in Kamerun umstoßen wollte.
Der Protest gegen die regierende Partei, Demokratische Sammlung des Kameruner Volkes (RDPC), geschah gewaltlos, aber die RDPC konterte aggressiv. „Auf einmal verschwanden Parteimitglieder”, erinnert sich Fonkeu. Auch er und seine Familie wurden politisch verfolgt. „Wir mussten jeden Tag an einem anderen Ort schlafen. Sonst hätte man uns gefunden.”
Zwar wurden die Oppositionsparteien 1991 legalisiert, aber seien sie von Spionen der Regierung unterwandert worden, sagt Fonkeu. Nach acht Jahren Oppositionsarbeit fasste er 1998 den Entschluss, das Land zum Schutz seiner Frau und den vier Kindern zu verlassen. Ein Bekannter aus der Polizei unterstützte die Familie bei der Flucht. Nach Deutschland kamen sie per Flugzeug, mit Geheimpass. Das Land kannte Fonkeu schon durch seinen Hauptberuf als Pharmavertreter.
Langeweile und Druck
Die Immigrationsbehörde schickte die Fonkeus nach Mülheim, wo sie auch heute wohnen. Seine Anfangszeit im Flüchtlingsheim fasst Fonkeu mit „Langeweile” zusammen. Für ihn und seine Frau, ehemalige Englischdozentin an einem kamerunischen Gymnasium, war es ungewohnt, nicht zu arbeiten. Die Kinder gingen zur Schule, den Eltern blieb der Zugang zu einem Job verwehrt. Zur Langweile gesellte sich Druck. „Für zwei Jahre lebt man jeden Tag mit der Angst, nicht angenommen zu werden.”
Die schlechte Nachricht kam im Jahr 2000: Die Fonkeus sollten abgeschoben werden. Der heute 55-Jährige legte Widerspruch ein, gemeinsam mit dem Flüchtlingsreferat des Evangelischen Kirchenkreises suchte er nach gesetzlichen Grundlagen, die die Abschiebung verhindern. Mit Erfolg. So konnten er und seine Frau nach zwei Jahren endlich arbeiten – auch wenn die Akademiker zunächst Toiletten putzen mussten. „Der Rückschritt war sehr schwer. Aber wir haben uns immer gesagt: So ist das, wenn man ein neues Leben anfängt.”
Jetzt, nach zwölf Jahren, ist Fonkeus Frau Dozentin an der Ruhr-Uni und gerade dabei, ihre Doktorarbeit zu schreiben. Alle seine Kinder studieren in Bonn. Auch er selbst studiert, Politikwissenschaften an der Ruhr-Uni.
Praktikum bei den Grünen
Um für das Studium angenommen zu werden, brauchte ein Praktikum, also bewarb er sich bei zahlreichen Parteien. Nur von den Grünen erhielt er eine Antwort, eine positive. Nicht nur deshalb ist er heute Grüner im Stadtrat Mülheim. Die Partei hätte ihm gezeigt, wie wichtig das Thema Ökologie sei – gerade im Hinblick auf seine Heimat, wo viele Städte mit Umweltverschmutzung zu kämpfen haben. Zwar ist sein Deutsch nicht tadellos, aber die Bürokratensprache im Stadtrat ist für ihn kein Hindernis. „An dieses Deutsch bin ich gewohnt. Das beherrsche ich fast besser, als das Umgangsdeutsch auf der Straße”. Im Stadtrat begegne man ihm als ganz normalen Ruhrpottler. Diese Akzeptanz ist der Grund, warum er nicht daran denkt, zurück nach Kamerun zu reisen. „Hier fühl ich mich wohl!“