Bochum.
Der Grüne Weg zeigt sich in diesen Tagen weiß. Schneeweiß. Zwar ist die Straße freigeräumt, doch hat das Wetter am Rande links und rechts seine Spuren hinterlassen. Es ist knackig-kalt. Der Schnee bleibt liegen, wo sich niemand um ihn kümmert. Kein Wunder also, dass sich Wilfried Lindner für den Rundgang mit der WAZ warm eingepackt hat. In den Farben von „Vorwärts“ Kornharpen natürlich, „wie sich das gehört, wenn man seinen Ortsteil zeigen möchte“, betont der 72-Jährige am Treffpunkt Ecke Elbestraße (1).
Doch nicht nur aufgrund der roten Jacke fällt Lindner auf. Er wohnt seit 51 Jahren in Kornharpen, kennt jeden Stein, fast jeden Menschen, der ihm entgegenkommt. „Gut, dass ich keinen Hut aufhabe“, sagt er. Und in der Tat bekäme er dann wohl Muskelkater vom inflationären Grüßen.
20 Jahre von jenen in Kornharpen lebte er mit seiner Ehefrau und den Kindern am Grünen Weg. Eine Straße, die das kleine Zentrum im Grunde vollständig erschließt. „1965 entstand die ,Einkaufsmeile’. Wir sind froh, dass wir sie haben“, sagt der Rentner. Denn so finden nicht nur Senioren all das, was sie zum Leben brauchen, direkt vor der Haustür. Am Grünen Weg, wo in den letzten Jahrzehnten zahlreiche neue Wohngebiete entstanden, liegen ein zweistöckiges Ärztehaus, eine Apotheke, eine Sparkasse und ein kleiner Supermarkt (2).
Ergebnis des Strukturwandels
Zudem das Schreibwarengeschäft von Andrea Voll: „Der Ortskern ist durchaus attraktiv. Denn die Menschen treffen sich hier, es findet Kommunikation statt“, schildert sie – und sollte es wissen. Immerhin führt Voll ihr kleines Geschäft seit 18 Jahren, in einem Ladenlokal, in dem einst der erste Lebensmittelmarkt Kornharpens seine Waren feil bot. „Früher gab es ja sonst nur ein paar Bauern. Das war schon ziemlich dörflich“, ergänzt Lindner. „Achtung Viehtrieb“: Heute sind diese Schilder aus dem Herzen Kornharpens verschwunden. „Damals gab es noch Schweine und Rinder. Ein echtes ,Kuhdorf’ war das“, grinst der frühere Bergmann.
Grüner Weg
Der Strukturwandel lässt davon kaum noch etwas erahnen. Lindner zeigt auch, was sich abseits des Grünen Weges getan hat. Hinter den Geschäften etwa liegt die Grundschule mit der neuen Kindertagesstätte. Am vorläufigen Ende landet der Spaziergänger auf der Kornharpener Straße. Linker Hand liegt der Beginenhof. Vor sieben Jahren hatte die Heilig-Geist-Gemeinde ihr Ökumenisches Zentrum, das von der Evangelischen Gemeinde mitgenutzt wurde, aus finanziellen Gründen aufgeben müssen. Die Bochumer Wohnstätten (3800 Mitglieder, 2700 Wohnungen) wurden auf das Objekt aufmerksam, kauften das 4700-qm-Grundstück und fanden mit dem Verein „Beginen heute“ einen Interessenten. Im Juni 2012 folgte der erste Spatenstich. Eingeweiht wurde die spezielle Frauen-WG im Oktober 2013, mit zwölf Häusern und einem Gotteshaus.
Außer der Parksituation ist alles in Ordnung
Unweit befindet sich die zweite Gaststätte Kornharpens, doch Lindner ist an der Zweigstelle vom Grünen Weg rechts abgebogen und zeigt auf die kleine Boutique (3). „Darin gab es mal einen alteingesessenen Bäcker. Der hat die Brötchen noch mit der Hand geformt.“
Über die Wegschere geht’s weiter zum Kleingartenverein Dr. Schreber. Auch Anwohner Günter Walle und Wilfried Lindner kennen sich selbstverständlich. Zeit für eine kurze Unterhaltung muss bleiben. Was Walle über seinen Wohnort denkt? „Schlechtes ist nicht zu sagen. Höchstens die Parksituation in der Wegschere lässt manchmal zu wünschen übrig. Aber sonst kann ich nicht meckern.“
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Am Ende der Wegschere erstreckt sich ein weiterer Neubau. Gegenüber des evangelischen Kindergartens ist ein Wohnkomplex entstanden, im Erdgeschoss öffnet der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) jeweils mittwochs das Café „Starke Nachbarschaften“ (4). Lindner selbst schaute dort noch nicht vorbei, findet aber, dass dies „bestimmt eine gute Sache“ sei.
Über die Straße „Im Hole“ kehrt Lindner letztendlich zum Grünen Weg zurück, blickt auch dort auf teils gigantische Wohnblöcke. Kornharpen sei beliebtes Umfeld geworden, schnell sind Ruhrpark oder Bochumer Innenstadt erreicht. „Alle wollen auf einmal ins Königreich Kornharpen.“ Das oft zitierte „Königreich Stiepel“ hingegen, das sei „doch Schnee von gestern“, findet Lindner, lacht, und geht seinen weiß gewordenen Grünen Weg nach Hause.