Bochum. . 1979 wird das „Terminal“ des Künstlers Richard Serra vor dem Hauptbahnhof aufgestellt. Die Skulptur sorgt(e) aus mehreren Gründen für Streit.
„Wo genau befinden Sie sich im Augenblick?“ – „Ich stehe in einem Haufen Schrott.“ Legendär ist der Dialog zwischen Moderatorin Carmen Thomas und einer Besucherin 1980 bei „Hallo Ü-Wagen“.
Das Hörfunkformat ist Geschichte. Das „Terminal“, von wo aus der WDR damals live sendete, steht noch immer. Als Kunstwerk weithin geachtet. Als „Schrott“ nicht weniger missachtet.
Von der „documenta 6“ nach Bochum – „verrückt!“
„Die sind verrückt!“ Der damalige SPD-Fraktionschef Heinz Hossiep (80) erinnert sich noch allzu gut an seine erste Reaktion, als Kulturdezernent Dr. Richard Erny und Kulturausschussvorsitzender Fritz Bahlo 1977 von der „documenta 6“ in Kassel zurückkehrten.
Feuer und Flamme waren sie von einer Skulptur des renommierten US-Bildhauers Richard Serra: vier rostige, aneinandergelehnte Stahlplatten, zwölf Meter hoch, mit einem exakten Quadrat oben als lichte Öffnung.
„Terminal“ (Endstelle) genannt. Verstanden als Provokation. Von beinahe hässlicher Wucht, ähnlich Beuys’ Fettecke. Kreiert als „Herausforderung im öffentlichen Raum, nicht als dessen Dekor“, wie WAZ-Kulturredakteur Jürgen Boebers-Süßmann in einer Nachschau schreibt.
CDU-Politiker machten mit dem Terminal Wahlkampf
Heinz Hossiep, damals starker Mann der SPD, war alles, nur kein Fan dieser Kunstgattung. „Ich gehörte zu den Zweiflern.“ Und doch habe er schnell begriffen: „Wir müssen auch ,so etwas’ in einer Kulturstadt, wie Bochum sie immer war, zulassen.“
1979: "Terminal" ist umstrittenstes Kunstwerk
Sagt’s und „ist bis heute stolz darauf, dass wir Sozialdemokraten uns mit einer letztlich klaren Mehrheit in der Fraktion und im Rat durchgesetzt haben“. Selbst Oberbürgermeister Heinz Eikelbeck (SPD) stimmte zu – „trotz seiner Einschränkung, die Skulptur sei ja gut und schön, nur ordentlich aussehen müsse sie“, schmunzelt Hossiep.
Schämen hingegen müssten sich bis heute einige CDU-Politiker. „Im Landtagswahlkampf haben die ernsthaft angekündigt, dass das ,Terminal’ bei einem CDU-Wahlsieg wieder wegkommt.“ Populismus pur. „Wir hielten dagegen. Gut so.“
Stadt Bochum zahlte 300.000 Mark für das Terminal
300.000 Mark machte die Stadt für den rostigen Riesen locker. Der Standort auf der Kreuzung vor dem Hauptbahnhof sei durchaus umstritten gewesen, weiß Hossiep. „Einige wollten das Ding im Weitmarer Holz verstecken. Auch der Rathausvorplatz kam ins Gespräch. Ich war für eine Fläche vor der Ruhrlandhalle (heute Ruhrcongress, die Red.).“
Die Verkehrsinsel am Bochumer Hauptbahnhof, unmittelbar am Puls der Großstadt, erhielt am Ende die knappe Mehrheit – „auch, weil Serra selbst es so wollte.“
1979 wurde das Kunstwerk eröffnet, 2014 restauriert. So heftig die Meinungen auseinandergehen, so vehement das Kopfschütteln vieler Bürger und Besucher über den „Schandflecken“ noch immer ist: „Das ,Terminal’ ist längst ein Teil Bochums geworden, nicht mehr wegzudenken“, bekräftigt Hossiep.
Serra: „Terminal“ sollte Diskurs anregen
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Den eigentlichen Sinn seines Werkes sieht der inzwischen 78-jährige Serra längst erfüllt. Das „Terminal“ sollte und soll einen Diskurs über Kunst im öffentlichen Raum entfachen. Schmuckstück oder Schrott? Bochum streitet bis heute.
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Dieser Artikel ist Teil des Projektes „70 Jahre WAZ – 70 Jahre Bochum“. Unser Zeitstrahl Bochum70.waz.de bietet zu Nachrichten und Ereignissen, die für Bochum(er) zwischen 1948 und 2018 wichtig waren, historische Filmaufnahmen, Fotos und die alten WAZ-Zeitungsseiten zum Durchblättern. Auf dem Spezial können Sie auch eigene Bochumer Stadtgeschichten und Fotos hochladen. Das erste Jahresthema der Multimedia-Chronik: die Gründung der WAZ in Bochum im Jahr 1948.