Bochum. . Zusammen mit fünf Mit-Studenten organisierte Siegfried Schirmer vor 50 Jahren das erste RUB-Fest. Es gab: Vier Bands, elf Bars und eine Ratte.
Dieser Tage wäre der Mann wahrscheinlich binnen weniger Stunden weltbekannt. Das Internet kann das. Nackt steigt er in eine Badewanne. Die steht nicht in irgendeinem Badezimmer, sondern vor dem Studentenwohnheim, dem Reinold-von-Thadden-Haus an der Laerheidestraße 10. Wir schreiben aber nicht 2018, sondern 1968.
Der Mann konnte ungestört baden. Jogi Löw war gerade acht, Deutschland verpasste die Qualifikation für die EM durch ein 0:0 in Albanien, es war die Schmach von Tirana. Es war das Jahr, das als der Höhepunkt der linksgerichteten Studenten- und Bürgerrechtsbewegungen der 1960er-Jahre gilt.
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Es ist der 28. Juni, der Tag nach dem ersten Sommerfest an der Ruhr-Universität. Siggi Schirmer hat es zusammen mit fünf Mit-Studenten der Sozialwissenschaften organisiert. An Proteste dachte bei dem Fest keiner.
Das Fest sei ein großer Erfolg gewesen
Schirmer weiß nicht mehr jedes Detail. 50 Jahre sind viel Zeit, um zu vergessen. „Aber dass das Fest ein Erfolg war, das weiß ich auf jeden Fall noch“, sagt der heute 73-Jährige. „Wir sechs Studenten vom Organisationsteam sind mit unseren Freundinnen vom Erlös des Festes zehn Tage in Prag gewesen.“
Es gibt viele Erinnerungsstücke. Seinen Studentenausweis hat er noch. Es ist eine Art Lochkarte, die er auch in der Uni-Bibliothek nutzen konnte. Das Original-Plakat vom Sommerfest hat er ebenso behalten. Es erzählt wer oder was damals für Unterhaltung sorgen sollte.
„The Skillies“ spielten auf dem Innenhof, „The Dragsters“ im Beatkeller, das „Colombo-Rhythm-Quartett“ im Saal, die „Flower-Pop-Jazzband“ im großen Festsaal. Außerdem sangen „The Folk-Duo-Singers & Angle-Guitar-Man“. Es gab eine Tombola und die Wahl der „Miss Sommerfest 68“. Auch da muss Schirmer passen. Er weiß nicht, wer das geworden ist. Was aber ebenso daran liegt, dass seitdem so viel Zeit vergangen ist.
Frühschoppen gab es am Tag danach
Es liegt nicht an der stattlichen Anzahl an Bier-, Sekt- und Schnapsbars im „französischen Keller und in der griechischen Weinstube“ die es beim Fest gab. Es waren elf. Dazu gab es Gebratenes vom Rost. Auch das lässt sich auf dem Plakat lesen und den Hinweis, dass die Besucher sich reichlich „amüsieren“ konnten: Auf dem Riesenrummel, am Bierschiff, im Freilichtkino und Swimmingpool und, dieser Hinweis ist den wilden 68er geschuldet, „wo und wie sie wollen“.
Schließlich durfte auch der Hinweis auf den Tag nach dem Sommerfest nicht fehlen: „Für ihren Nachdurst. Frühschoppen am Samstag ab 11 Uhr.“ Dabei entstand das Badewannen-Bild (siehe oben).
Weitere Bilder zeigen Studenten mit dem Kopf in einer Riesenratte. Die war Teil der Ausstattung „Die Ratten“, der Tragikomödie von Gerhart Hauptmann. Die Studenten hatten sie vom Schauspielhaus geschenkt bekommen und nutzen sie als Dekoration.
„Wir haben überhaupt ganz viel Unterstützung bekommen“, sagt Schirmer. „Der Oberbürgermeister hat uns erlaubt, mit einem Lautsprecherwagen durch die Stadt zu fahren und für das Fest zu werben. Die Schlegelbrauerei hat die Plakate gesponsert und als wir in der Nacht des Sommerfestes noch Essensnachschub brauchten, haben wir Metzgermeister Erwin Platzmann geweckt und der hat uns dann noch Hunderte Schnitzel und Würstchen gegeben.“
Das Fest war ein Erfolg. 3000 Besucher machten es dazu. „Es war ja auch sonst nicht viel los“, sagt Schirmer. „Es war alles im Aufbau.“ Sein Studium nicht mehr. „Nach dem Fest mussten wir langsam ans Examen denken.“
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Dieser Artikel ist Teil des ProBO-Projektes „70 Jahre WAZ – 70 Jahre Bochum“. Unser Zeitstrahl Bochum70.waz.de bietet zu Nachrichten und Ereignissen, die für Bochum(er) zwischen 1948 und 2018 wichtig waren oder wurden, historische Filmaufnahmen, Fotos und die alten WAZ-Zeitungsseiten zum Durchblättern. Auf dem Spezial können Sie auch eigene Bochumer Stadtgeschichten und Fotos hochladen. Das erste Jahresthema der Multimedia-Chronik: die Gründung der WAZ in Bochum im Jahr 1948.