Oberhausen. Fast hätte er Adolf Hitler 1939 getötet, doch Bombenbauer Georg Elser wird kaum gewürdigt. Liegt es daran, dass er ein schlichter Handwerker war?
Sein vor zwölf Jahren enthülltes Denkmal in Berlin ist die überlebensgroß in Stahl „gezeichnete“ Silhouette eines menschlichen Gesichts – ein passendes „Merkzeichen“ für Georg Elser. Schließlich blieb der schwäbische „Kunsttischler“, wie er sich selbst nannte, jahrzehntelang der große Unbekannte unter den Namen des Widerstands gegen Hitler. Man verehrte lieber die Akademiker der „Weißen Rose“ und die adligen Offiziere des militärischen Widerstands. Dabei war Georg Elser der Erste, der handelte. An ihn erinnert bis zum 15. Dezember eine Sonderausstellung der Gedenkhalle im Schloss Oberhausen – mit hochkarätigem Begleitprogramm.
Der Tyrannenmord und seine Rechtfertigung dürften heute wieder – angesichts der Weltlage in den 2020ern – schaurige Aktualität haben. Doch Clemens Heinrichs, der Leiter der Gedenkhalle, sagt über den Einzelgänger und Hitler-Attentäter, dessen Bombe am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller explodierte: „Er hat alles mit sich selber abgemacht.“ Georg Elser (1903 bis 1945) hinterließ weder Bekennerschreiben noch Tagebücher; und als ausgeprägter Individualist war er nie beteiligt an Debatten um das Deutschland nach Hitler, wie die geheimen Zirkel der studierten Opposition.
So sortierte denn die wohl skurrilste Würdigung den Bombenbauer 1995 in eine Ausstellung mit dem Titel „Schwäbische Tüftler“ im Württembergischen Landesmuseum. Da ist der didaktische Ansatz der Ausstellung aus der Stuttgarter Landeszentrale für politische Bildung, die Claudia Stein nun für die Gedenkhalle ins Schloss Oberhausen holte, ungleich seriöser. Ihr Titel zitiert aus den Verhören des bereits kurz nach dem Attentat Verhafteten: „Ich habe den Krieg verhindern wollen.“
Hätte seine Tat den Zweiten Weltkrieg verhindert?
Der spannenden Frage „Was wäre, wenn?“ ist im Vorjahr die Ausstellung „Roads not taken“ in Berlins Deutschem Historischen Museum nachgegangen – auch am Beispiel des minuziös geplanten Münchner Anschlags. Elser war schließlich nur gescheitert, weil Hitler als Hauptredner im Bürgerbräukeller eine Stunde zu früh an jenes Pult trat, hinter dem die Bombe platziert war. Hätte ein Erfolg tatsächlich verhindern können, dass aus dem im September 1939 mit dem Überfall auf Polen losgetretenen Krieg ein Zweiter Weltkrieg geworden wäre? Immerhin waren in der ersten Reihe des Saals sämtliche höchsten NS-Bonzen versammelt, um in München ihren Putschversuch von 1923 zu feiern.
Für die Nationalsozialisten war es undenkbar, dass ein schlichter Handwerker mit Volksschulbildung ohne „Fernsteuerung“ durch das Ausland einen über Monate detailliert ausgeklügelten Attentatsplan verwirklichen konnte – dessen Erfolg schließlich nur die von Hitler beschworene „Vorsehung“ vereitelte. Für die Parteizeitung „Völkischer Beobachter“ stand fest, dass der britische „Intelligence Service“ den Einzeltäter dirigiert hatte. Elser hatte in der Haft, unter den Augen der Gestapo, eine zweite Bombe zusammengesetzt, um so seine Kompetenz zu beweisen. Selbst im KZ Sachsenhausen war für ihn als „Sonderhäftling“ eine Werkstatt eingerichtet worden: Bis zum großen Schauprozess gegen ihn (den es nie gab) tischlerte der Attentäter dort Möbel für seine Bewacher.
Verleumdet als vermeintliches „Werkzeug der NS-Führung“
„Sehr ungerecht“ nennt Claudia Stein jene Gerüchte, die dem während fünfeinhalb Haftjahren bis zu seiner Ermordung im April 1945 isolierten Häftling unterstellten, ein „Werkzeug der NS-Führung“ gewesen zu sein – und sein Attentat somit eine Inszenierung, der Hitler glorreich entkommen sollte. Auch die Geschichtsschreibung zum Widerstand hatte lange ihre dunklen Flecken.
Lesung und Spielfilm begleiten die Ausstellung
Einer der renommierten Zeithistoriker Deutschlands präsentiert am Freitag, 17. November, um 18 Uhr in der Gedenkhalle sein aktuelles Buch „Allein gegen Hitler“: Wolfgang Benz’ akribisch recherchiertes Lebensbild zeigt Georg Elser, den Schreiner aus Königsbronn, als „Mann aus dem Volk“, der zur Einsicht in die verbrecherische Natur des NS-Regimes gelangte und sich bis zur letzten Konsequenz zum Widerstand entschloss. Im Anschluss an die Lesung besteht Gelegenheit zum Austausch mit dem Autor. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Oliver Hirschbiegels Spielfilm „Elser – er hätte die Welt verändert“ zeigt die Lichtburg, Elsässer Straße 26, am Montag, 27. November, um 18 Uhr. Das mehrfach ausgezeichnete Drama mit Christian Friedel in der Titelrolle erhielt 2015 den Friedenspreis des deutschen Films „Die Brücke“. Der Eintritt ist kostenfrei.
Führungen durch die Ausstellung bietet die Gedenkhalle nach Voranmeldung unter 0208 6070 53111 oder per E-Mail an info-gedenkhalle@oberhausen.de