Essen. “Elser“ erzählt die Geschichte des Attentäters von 1939, ohne ihn zum Helden zu machen. Was dem Historiendrama fehlt, ist erzählerische Intensität.
Ein neuer Film über den Widerstand gegen das NS-Regime, ein Film über die Tat eines Einzelnen, der Adolf Hitler töten wollte. „Elser“ heißt der Film, benannt nach Georg Elser, der im Münchner Hofbräukeller eine selbstentwickelte Bombe platziert. Am 8. November 1939 soll der Sprengsatz während einer Rede unmittelbar neben Hitlers Rednerpult zünden. Eine nicht absehbare Veränderung im Organisationsablauf hat zur Folge, dass Hitler vorzeitig das Gebäude verlässt. 13 Minuten später erfolgt die Explosion.
Zwei Stunden davor wird an der Grenze zur Schweiz der schwäbische Kunstschreiner Georg Elser (Christian Friedel) beim illegalen Grenzübergang aufgegriffen und in Haft gesetzt. Schnell wird er als Attentäter entlarvt und nach Berlin gebracht; hier beginnen die Verhöre durch Kripo-Chef Nebe (Burghart Klaußner) und Gestapo-Leiter Müller (Johann von Bülow). Auch unter schwerer physischer und psychischer Folter beharrt Elser auf der Darstellung des Einzeltäters.
Der eigenbrötlerische Schwabe
Elf Jahre nach der Nazi-Götterdämmerung „Der Untergang“ kehrt Oliver Hirschbiegel mit einem deutschen Film zurück auf die Kinoleinwand. Wieder ist es eine möglichst authentisch ausgestaltete Geschichtsstunde, nur steht diesmal ein eigenbrötlerischer Schwabe im Zentrum, dessen Tat nie den Status der Heldentat erreichte wie etwa der Bombenanschlag des Grafen Stauffenberg in der Wolfschanze. Ein Kinofilm hätte das Recht, eine entsprechende Heroisierung der Titelfigur vorzunehmen, doch genau das haben sich Hirschbiegel und das Autorenteam (Fred Breinersdorfer und seine Tochter Léonie-Claire) verkniffen. Ihr Ansatz fußt auf Dramatik nach bewährter TV-Prägung.
Nach der Verhaftung und während der Verhöre und Folterungen schwenkt der Film den Blick zurück, um Elsers Werdegang zu beleuchten. Er zeigt einen jungen Mann, der gern musiziert und bei Frauen gut ankommt. Mit einer verheirateten Großstädterin (Katharina Schüttler), die von ihrem Mann böse misshandelt wird, unterhält er eine leidenschaftliche Affäre. Er hat Freunde im Dorf, die der Kommunistischen Partei angehören, doch fühlt er sich der politischen Linken ebenso wenig zugehörig wie den Nazis. Aber als in Polen Schüsse fallen, trifft er eine Entscheidung.
Grausamkeit des Nazi-Regimes
Wein, Weib, Musik und bitte keinen Krieg – „Elser“ birgt die Geschichte von einem, der sich radikalisiert; nicht mangels Perspektiven, sondern weil es ihm zu bunt wird in der Welt um ihn herum. Ruhm sollte eine Seite der Medaille sein, die andere ist das Leiden. Hier immer wieder zu unterbrechen, mag als Schutzpause für die Zuschauer gedacht sein; erzählerisch ist es ein Desaster, weil die Intensität des Geschehens beständig unterhöhlt wird.
Noch seltsamer ist es, dass der Film verschweigt, wieso Elser nach unterschriebenem Geständnis nicht sofort, sondern erst im April 1945 hingerichtet wird. Fünf Jahre lang war er Sonderhäftling Hitlers in Sachsenhausen und Dachau. Nicht minder abrupt, dafür recht drastisch wird zudem die qualvolle Erhängung des Kripomanns Nebe ins Bild gerückt. Zwar rücken diese Bilder die Grausamkeit des Nazi-Regimes radikal vor Augen, erzählerisch zwingend ist die Maßnahme nicht. Aber vermutlich gibt es noch eine längere Fassung für die TV-Ausstrahlung. Da wird einem dann wirklich geholfen mit Geschichten und Geschichte.
Wertung: Zwei von fünf Sternen