Bochum. Im Interview äußert sich Sebastian Schindzielorz, Sport-Geschäftsführer des VfL Bochum, zur sportlichen Entwicklung, zum Kader und Transfers.
Nach hochemotionalen Wochen genießt (auch) der VfL Bochum nun etwas mehr Ruhe in der Länderspielperiode Nummer drei in dieser Saison. Sebastian Schindzielorz, der Sport-Geschäftsführer, zieht im Gespräch mit dieser Redaktion eine Zwischenbilanz und blickt voraus.
Es läuft zurzeit beim VfL Bochum. Kommt die Länderspielpause trotzdem gerade recht?
Sebastian Schindzielorz: Wir waren in den letzten Wochen gut unterwegs. Aber es liegt auch ein sehr intensiver Monat hinter uns, mit der Englischen Woche, der Mitgliederversammlung, zuletzt dem Spiel gegen Hoffenheim. Am Mittwoch haben wir noch ein Testspiel gegen Viktoria Köln. Aber das kommende Wochenende können wir sicherlich einmal nutzen, um etwas herunterzukommen, die Anstrengung ein bisschen aus den Knochen zu schütteln. Dann gilt wieder unser ganzer Fokus der Partie in Leverkusen. Das wird wieder eine große Herausforderung für uns.
Nach dem 2:0-Krimi gegen die TSG war in Onlinemedien viel von „ehrlichem Malocherfußball“ in Bochum zu lesen. Passt das oder ist das die Folge einer offenbar erfolgreichen Image-Kampagne? Kämpfen und rennen können andere Teams ja auch.
Wir leben im Ruhrgebiet, wir wissen, wo wir herkommen. Wir sind Aufsteiger und haben Gegner, die wirtschaftlich auf einem ganz anderen Niveau unterwegs sind. Malocherfußball klingt gut, ist aber nur ein Teil von uns. Wir haben gezeigt, dass wir auch guten Fußball spielen können, mit gutem Umschaltspiel und einer defensiv ordentlichen Struktur.
Schindzielorz: Müssen besondere Momente kreieren
Und mit perfekter Inszenierung in den letzten Heimspielen….
Gerade die Spiele im Vonovia Ruhrstadion waren sehr speziell. Das 2:0 gegen Mainz war unser erster Bundesliga-Heimsieg nach mehr als elf Jahren, sehr emotional. Die letzten drei Partien gegen Frankfurt, Augsburg, Hoffenheim waren schon besondere Partien mit einer tollen Dramaturgie. Wir müssen als VfL Bochum immer zusehen, dass wir solche besonderen Momente kreieren, um gegen die zahlungskräftigere Konkurrenz zu bestehen. Wir müssen die Emotionen fördern und mitnehmen. Trotzdem müssen wir gleichzeitig ganz sachlich und professionell unsere Arbeit erledigen, auf dem Platz wie auch im Hintergrund.
Manuel Riemann, nennen wir ihn mal den emotionalen Leader, stand besonders oft im Fokus in den letzten Wochen. Erst mit seiner Kritik an Mitspielern nach dem 0:3 gegen Leipzig, dann mit einem verwandelten und einem nicht verwandelten Elfmeter. Greifen Sie im Nachgang eigentlich auch ein oder ist das reine Trainersache?
Neben dem Trainer führen auch Patrick Fabian (Assistent der Sport-Geschäftsführung, die Redaktion), der sehr nah an der Mannschaft ist, und ich immer wieder Gespräche mit Spielern über ihre Situation, ihre Entwicklung. Wir betrachten zudem jedes Spiel ganz genau, arbeiten es auf. Da gehört die Sache mit dem Elfmeter von Manu gegen Hoffenheim mit dazu. Thomas (Trainer Thomas Reis, die Redaktion) hat bereits erklärt, dass er die Situation auf seine Kappe nimmt und sie künftig anders moderiert wird.
Es soll also eine klarere Zuordnung von Elfmeterschützen geben, in diesem Fall fiel der vergebene Strafstoß am Ende nicht so sehr ins Gewicht dank des Erfolges. 13 Punkte hat der VfL damit nun geholt, er ist Tabellenzwölfter. Wie fällt Ihr Zwischenfazit nach knapp einem Saisondrittel aus?
Die Ausbeute mit 13 Punkten ist absolut in Ordnung. Wir wussten und wissen weiterhin, dass es für uns eine schwierige Saison wird, dass wir Underdog in der Bundesliga sind, in fast jedem Spiel. Entscheidend für uns ist es, dass wir als Bochumer Gemeinschaft auftreten. Dass alle verstehen, dass wir nur gemeinsam erfolgreich sein können. Damit meine ich wirklich alle – nicht nur die Mannschaft, sondern zum Beispiel auch die Fans, die uns bisher überragend unterstützt haben. Wenn wir alle gemeinsam diesen Weg weitergehen, können wir den Klassenerhalt schaffen. Dabei dürfen uns auch Rückschläge wie dem 0:7 in München, das natürlich extrem bitter war, nicht aus der Bahn werfen lassen. Und das ist auch nicht passiert.
Warum ein oder zwei Tore zum Punkten reichen müssen
Wie beurteilen Sie die sportliche Entwicklung der Mannschaft in den ersten elf Partien?
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Es ist extrem wichtig für uns, dass wir uns bereits weiterentwickelt haben. In der zweiten Liga hatten wir einen etwas anderen Ansatz, waren oft in einer dominanten Rolle, es kam auf ein gutes Positionsspiel in der Offensive an, auf möglichst viele eigene Tore. In der Bundesliga ist die Qualität der Gegner eine andere. Wir kommen eher in Drucksituationen. Wir werfen unsere eigene Identität, aktiven und offensiven Fußball zu spielen, nicht komplett über Bord. Aber wir müssen unsere Spielweise anpassen. Das ist uns in den letzten Wochen schon deutlich besser gelungen als zu Saisonbeginn. Wir haben in der Defensive mehr Stabilität, das ist die Basis. Wenn wir ein oder zwei Tore schießen, dann müssen wir damit Punkte holen in der Bundesliga.
Es bleibt knapp bis zum Schluss?
Wir treten nicht auf die Euphoriebremse, aber wir heben jetzt bestimmt nicht ab, das wäre fatal. Bei all der derzeitigen Euphorie, die wir gerne mitnehmen und weiter anfachen wollen, müssen wir weiter jedes Spiel isoliert betrachten und es sehr fokussiert angehen. Wir wissen, dass die nächste Partie in Leverkusen wieder eine richtig schwere Aufgabe für uns werden wird.
Schindzielorz betont das Vertrauen in den Kader - noch keine Anfragen
Seit Simon Zollers Kreuzbandriss heißt es, der VfL suche noch einen Stürmer. Auf der Mitgliederversammlung wurde erklärt, dass etwas Geld für eventuell erforderliche Verstärkungen in der Wintertransferperiode im Januar vorhanden sei. Wie ist der Stand?
Zunächst einmal stehen alle Vereine, auch wir, unter dem Einfluss der Corona-Pandemie und seiner wirtschaftlichen Folgen. Wir haben konservativ geplant, die Entwicklung etwa bei den Zuschauern ist besser als geplant. Insofern gibt es einen kleinen Handlungsspielraum. Aber wir werden kaufmännisch vernünftig und seriös damit umgehen. Wir beschäftigen uns permanent mit unserer eigenen Mannschaft. Dazu gehört auch, darauf zu achten, wer verletzt ist, ob es auf manchen Positionen Bedarf gibt, wer welche Perspektive hat oder ob es Sinn macht, dem einen oder anderen bei einem anderen Klub zu mehr Spielpraxis zu verhelfen. Wenn es Spieler gibt, die uns wirtschaftlich und sportlich voranbringen können, verschließen wir nicht die Augen. Aber wichtig ist mir zu betonen: Wir haben absolutes Vertrauen in den Kader, den wir im Sommer so zusammengestellt haben.
Einige Spieler dieses Kaders, das war zum Teil schon im Sommer klar wie etwa bei Tom Weilandt, spielten sportlich bisher kaum oder gar keine Rolle. Gibt es Anfragen oder gar Angebote?
Nein. Was Transferanfragen angeht, gibt es keinen neuen Stand. Wir haben aber noch sechs Spiele bis zur kurzen Winterpause. Alle Vereine werden ihre Hausaufgaben machen. Ich denke, in dieser Hinsicht wird es erst ab Weihnachten konkreter.