Essen. . Der Fall ist ein Sportpolitikum: Der Deutsche Leichtathletik-Verband nominiert den unterschenkelamputierten Weitspringer Markus Rehm nicht für die EM in Zürich. Seine Beinprothese verschafft ihm nach Meinung der Funktionäre im Wettstreit mit Nichtbehinderten einen Vorteil.

Als Christian Reif von der Nicht-Nominierung von Markus Rehm für die Leichtathletik-EM erfuhr, schickte er dem Leverkusener diesen Trost: „Danke Markus für dieses hochklassige Duell bei den Deutschen Meisterschaften.“ Ex-Europameister Reif, der bei der DM in Ulm mit 8,20 Metern Zweiter hinter dem Weitspringer mit der Unterschenkelprothese wurde, ist von Rehm beeindruckt. „An der Weitsprunggrube konnte dich niemand schlagen und trotzdem wirst du nicht nominiert“, schrieb Reif, „weil eilig – aber viel zu spät – ausgewertete Analysen zu dem Ergebnis kommen, dass du einen Vorteil haben sollst. Für mich bis du trotzdem ein Gewinner, denn du hast allen gezeigt, wozu Sportler mit Behinderung fähig sind!“

Grenze der Inklusion ist die Vergleichbarkeit der Leistung

Der 25-jährige Rehm wird also in zwei Wochen zuschauen müssen, wenn Reif versuchen wird, den Titel nach 2010 ein zweites Mal zu gewinnen. „Ich finde es schade und enttäuschend“, sagte Rehm, als er erfuhr, dass ihn der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) nicht für die EM in Zürich melden wird, obwohl er am Wochenende in Ulm starten durfte und dort mit 8,24 Metern den Titel gewann. Als Grund nannte der DLV die Ergebnisse von biomechanischen Messungen, die in Ulm per Laser- und Highspeed-Kameras aufgezeichnet wurden.

„Die in Ulm gemessenen Werte zeigen auf, dass sich Anlauf und Absprung signifikant unterscheiden. Es besteht der deutliche Zweifel, dass Sprünge mit Beinprothese und mit einem natürlichen Sprunggelenk vergleichbar sind“, erklärte DLV-Präsident Clemens Prokop. Er betonte: „Wir leben die Inklusion. Die Grenze der Inklusion ist die Vergleichbarkeit der Leistung, die Chancengleichheit im Wettkampf.“

DBS: „Hätte DLV mehr Mut gewünscht“

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Experten wie Professor Gert-Peter Brüggemann vom Institut für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule Köln halten die Untersuchungen in Ulm allerdings nicht für ausreichend. Mit dieser Studie könne ein Vorteil nicht seriös nachgewiesen worden, meint Brüggemann, der es nicht gut findet, dass solche Entscheidungen auf Spekulationen beruhen.

Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) respektiert und bedauert die Nichtnominierung. „Es ist schade, ich hätte dem DLV gewünscht, mutiger zu sein“, sagte DBS-Vizepräsident Karl Quade. Rehm überlegt jetzt, gegen die Entscheidung vorzugehen, obwohl er vor zwei Tagen juristische Schritte ausgeschlossen hatte. „Wenn ich Zweifel an der Begründung habe, werde ich mich beraten“, sagte Rehm. Die biomechanische Analyse aus Ulm könne seiner Meinung nach keine Grundlage für seine Nichtberücksichtigung sein: „Das halte ich für schwierig und unseriös.“