London. 14 Jahre nach Steffi Graf steht Sabine Lisicki im Finale von Wimbledon. Die blonde Berlinerin mit dem Spitznamen 'Doris Becker' setzte sich in einem Halbfinal-Krimi gegen Vorjahresfinalistin Agnieszka Radwanska durch und trifft am Samstag auf die Französin Marion Bartoli.

Mit einem Schlag löste sich die ganze Anspannung. Die Last der Geschichte, der Erwartungsdruck, die nervliche Belastung des Halbfinalkrimis - alles fiel von Sabine Lisicki ab. Mit einer gezielten Vorhand hatte sie ihren zweiten Matchball gegen Agnieszka Radwanska verwandelt und war 14 Jahre nach Steffi Graf ins Finale von Wimbledon eingezogen. In ihrer Box feierten die Eltern Richard und Elisabeth das 6:4, 2:6, 9:7 ihrer Tochter. Nur noch ein Schritt fehlt Lisicki, um nach Cilly Aussem und Graf als dritte Deutsche das bedeutendste Tennisturnier der Welt zu gewinnen.

Im Endspiel am Samstag (14.00 Uhr MEZ) gilt die blonde Berlinerin als Favoritin, auch wenn die Französin Marion Bartoli in ihrem Halbfinale wie ein Wirbelwind über die angeschlagene Kirsten Flipkens aus Belgien hinwegfegte. Nur 62 Minuten brauchte die Finalistin des Jahres 2007 für den 6:1, 6:2-Erfolg und damit deutlich weniger als Lisicki. Die hat in diesen Tagen von Wimbledon jedoch nicht nur Titelverteidigerin Serena Williams und nun Vorjahresfinalistin Radwanska aus dem Turnier geworfen, sie hat auch das Publikum auf ihrer Seite.

Lisicki zu Beginn mit der gewohnten Power

Die Briten feiern "Boom Boom Bine" bei jeder Gelegenheit und preisen die aufschlagstarke Deutsche aufgrund ihrer emotionalen Auftritte auf dem Court als "Doris Becker". Gegen Bartoli hat Lisicki zudem eine positive Bilanz. Dreimal schlug sie die Nummer 15 im Ranking bisher, nur die erste Begegnung, 2008 in Wimbledon im zarten Alter von 18 Jahren, verlor Lisicki. Für diese Niederlage revanchierte sich Lisicki im Viertelfinale 2011, als sie erstmals das Halbfinale im All England Club erreichte.

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Damals verpasste sie den großen Wurf gegen Maria Scharapowa, nun war sie bereit und revanchierte sich damit auch für ihre Fed-Cup-Kollegin Angelique Kerber, die im vergangenen Jahr das Halbfinale gegen Radwanska verloren hatte.

Die 15.000 Zuschauer auf dem Centre Court, unter ihnen Sir Cliff Richard in der königlichen Loge, staunten zu Beginn der Partie nicht schlecht, als Lisicki zu Beginn der Partie ihr gewohntes Power-Tennis mit Elementen mixte, die man eher von der spielfreudigen Radwanska erwartet hatte. Sie streute die Kombination "Stopp-Lob" ein und spielte Winkelbälle, um die an beiden Oberschenkeln bandagierte Polin zum Laufen zu bringen. Ihren vierten Breakball verwandelte sie zum 4:3 und sicherte sich Satz eins. "Komm jetzt", feuerte sie sich selbst an. Bundestrainern Barbara Rittner klatschte erleichtert.

Hype um "Doris Becker" in Berlin

Auch in der Heimat fieberten die Fans mit, der Lisicki-Hype war längst hinübergeschwappt. Bei ihrem Klub Rot Weiß in Berlin-Grunewald saßen 50 Fans vor dem Bildschirm. Seit 2000 ist Lisicki, die eigentlich in Bradenton/Florida lebt, in dort gemeldet, "bereitet sich hier auf Turniere vor und muss immer viel Fanpost abholen", wie Eberhard Wensky, langjähriger Turnierdirektor der German Open, dem SID verriet. Auch in Troisdorf, Lisickis Geburtsort, hatten sich die Mitglieder des TC Rot-Weiß im Klubhaus vor dem Fernseher versammelt. Dort hatte Lisicki noch vor zehn Jahren aufgeschlagen.

Als Radwanska Satz zwei gewann, stieg die Nervosität. Lisicki produzierte mit ihrem offensiven Stil mehr Fehler als Gewinnschläge, Radwanska spielte solide weiter. Der Weltranglistenvierten unterliefen wie gewohnt kaum unnötige Fehler und so ging sie im dritten Satz 3:0 in Führung. Lisicki kannte die Situation, sie hatte diesen Rückstand schon einmal umgebogen - im Achtelfinale gegen die Weltranglistenerste Williams. Und wieder gelang es ihr, weil sie bis zum Umfallen kämpfte und dabei auch schonmal einen Ba lljungen umrannte. (sid)