London. Qualifikant Dustin Brown überrascht und begeistert. Der Deutsch-Jamaikaner mit der ungewöhnlichen Spielweise bezwang Ex-Champion Lleyton Hewitt und steht erstmals in seiner Karriere in der dritten Runde eines Grand Slams.

Tränen liefen Dustin Brown über die Wangen, als er den Matchball zum größten Erfolg seiner Karriere verwandelt hatte. Von Gefühlen überwältigt schlich er zum Netz und holte sich die Glückwünsche des Ex-Champions Lleyton Hewitt ab, den er überraschend 6:4, 6:4, 6:7 (3:7), 6:2 bezwungen hatte. Damit zog der Deutsch-Jamaikaner zum ersten Mal in seiner Tennis-Laufbahn in die dritte Runde eines Grand Slams ein - und das auf dem Heiligen Rasen von Wimbledon.

Erster Satzball gegen Hewitt mit "Becker-Hecht" verwandelt

"Ich bin eigentlich nicht der Typ, der anfängt zu weinen", sagte Brown: "Aber Lleyton habe ich schon spielen sehen, als ich aufgewachsen bin. Ich war schon so oft nah dran an solch großen Siegen. Heute habe ich es endlich zusammengebracht." Und damit auch die Herzen der britischen Tennisfans im Sturm erobert.

Es ist sein Auftreten im traditionsbewussten All England Club, das ihn aus der Masse der namenlosen Tennisprofis befreit. Dabei machen die langen, geflochtenen Haare und der schlaksige Körper nur den kleineren Teil seiner Anziehungskraft aus. Besonders die - gelinde gesagt - ungewöhnliche Spielweise begeistert die Zuschauer bereits seit der Qualifikation.

Jeder Tennislehrer verdreht die Augen, sieht er Brown die Vorhand schleudern oder einen Flugball peitschen. Der 28-Jährige, dessen Mutter Inge aus Winsen/Aller stammt und dessen Vater Leroy auf Jamaika lebt, schnibbelt, wenn es nichts zu schnibbeln gibt, drischt, wenn er besser schieben sollte und stürmt ans Netz, als sei das Serve-and-Volley nicht irgendwann in den 90er Jahren ausgestorben. All das machte Brown gegen Hewitt glänzend.

Den Satzball im ersten Durchgang verwandelte er mit einem "Becker-Hecht", der Ball kullerte langsam über das Netz. Dafür feierte er sich mit weit von sich gerissenen Gliedmaßen - und das Publikum freute sich mit. Der Showcourt 2 füllte sich spätestens jetzt, Browns Fangemeinde hielt locker mit der seines Gegners mit. Lleyton Hewitt, der vor elf Jahren in Wimbledon triumphiert hatte, hat seinen privaten Fanklub immer dabei. 14 Anhänger sangen schon vor dem ersten Ballwechsel die australische Nationalhymne.

Entscheidendes Break gelang Publikumsliebling Brown im vierten Durchgang

Brown ließ sich von den Schlachtenbummlern in gelb und grün nicht beeindrucken und zog das Publikum, das sich bei Pimp's und Popcorn einen gemütlichen Tennistag machen wollte, auf seine Seite. Vor allem der krachende Vorhand-Return begeisterte, sodass selbst der Hauptsender BBC 1 das Spiel auf den Schirm nahm.

In der Heimat war wohl niemand auf Browns Erfolg vorbereitet. Die Webseite des Teilzeit-Models, das in der Tennis-Weltrangliste auf Platz 189 geführt wird, brach während des Matches zusammen. Derweil unterhielt Brown weiter die Zuschauer und blieb selbst nach dem Verlust des dritten Satzes gelassen, ja geradezu fröhlich. Beim Seitenwechsel grinste er den vier Jahre älteren Hewitt an, als würde er sagen wollen: 'Hey, ich führe immer noch!'

Das entscheidende Break gelang Brown zum 3:1 im vierten Durchgang, weil er auf den schwachen zweiten Aufschlag seines Kontrahenten sofort ans Netz stürmte. Er selbst servierte hammerhart, teilweise mit mehr als 210 km/h. Das hat Brown immer schon getan, auch als er zu Beginn seiner Karriere im Wohnwagen von Turnier zu Turnier tingelte. Auf der Challenger-Tour, der zweiten Tennis-Liga, ist er eigentlich auch heute noch zu Hause.

In Wimbledon machte Brown jedoch eine Ausnahme und meldete für die Qualifikation. Auf Rasen fühlt er sich wohl, deshalb muss sein Weg noch lange nicht zu Ende sein. In Runde drei trifft er auf den Franzosen Adrian Mannarino, die Nummer 111 der Weltrangliste. (sid)