Essen. Der Bundesrechnungshof prüft den Spitzensport: Das Ministerium, den DOSB und Stützpunkte – auch bei den Verbänden schauen die Prüfer vorbei. DOSB und BMI wiegeln ab: Reine Routine. Politik und der Bund der Steuerzahler sehen das anders. Vor allem die Zielvereinbarungen der Verbände werden geprüft.

Alles ganz normal, reine Routine, warum überhaupt der ganze Wirbel? Der Bundesrechnungshof prüft den Sport - Innenministerium und DOSB versuchen so zu tun, als sei das Alltag. Das Ministeriums schreibt, die Prüfung sei “ein völlig normaler Vorgang”. Das stimmt nur zur Hälfte. Zwar prüft der Rechnungshof regelmäßig verschiedene Bereiche des Bundeshaushalts, doch eine Schwerpunktprüfung im Sport hat es Beteiligten zufolge seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gegeben, vermutlich liegt sie sogar noch deutlich weiter zurück.

Rainer Holznagel ist Präsident des Bundes der Steuerzahler. Seine Organisation kämpft gegen die Verschwendung von Steuergeldern. Für Holznagel wird eine Prüfung des Spitzensports höchste Zeit. “Es geht ja um viele Millionen Euro Steuergelder, über 132 Millionen. Die Prüfung ist überfällig", sagte Holznagel in einem Telefonat am Freitagabend.

Kontrolleure kommen zuerst zum Fechter Bund und zum Leichtathletik Verband

Aktuell werden das Innenministerium, der DOSB, zwei Olympiastützpunkte, drei Forschungsinstitute und acht Verbände geprüft. Sechs Verbände haben bislang noch keinen Termin für eine Prüfung. Der Ruderverband wurde über die Prüfung sogar erst durch die Berichterstattung der WAZ-Mediengruppe informiert: Die Mail des Ministeriums war im Spam gelandet. Anfang Februar kommen die Kontrolleure zuerst zum Deutschen Fechter Bund und zum Deutschen Leichtathletik Verband. Die Prüfungen dauern ein bis zwei Tage.

Das Innenministerium behauptet in einer Mail an die WAZ-Mediengruppe, es gebe keine Fokussierung auf die Zielvereinbarungen. Auf Nachfrage bestätigen aber sowohl Fechter, als auch Leichtathleten, dass bei ihnen quasi ausschließlich die Zielvereinbarungen Inhalt der Prüfung sein sollen. Laut Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop geht es um die alten Zielvereinbarungen für London, aber auch die neuen Dokumente für die Spiele in Rio. Neben den Inhalten der Vereinbarungen gehe es wohl "auch um das Verfahren, in dem diese Zielvereinbarungen beschlossen worden sind.”

Die Prüfer wollen nach Informationen der WAZ-Mediengruppe mit den Verbänden darüber sprechen, wie die Zielvereinbarungen festgelegt werden, wer an den Verhandlungen beteiligt ist, mit wem der Verband kooperiert und ob sich die Zielvereinbarungen bewährt haben. Remo Laschet ist als Vizepräsident für die Finanzen beim Deutschen Hockey Bund zuständig. Er geht davon aus, dass die Prüfung mit der im Sommer geführten Diskussion um die Sportförderung zusammenhängt. "Da geht es ja dann auch um die Frage: Was muss das BMI für Informationen rausgeben bezüglich der Verträge mit dem DOSB?” Es wirkt, als prüfe der Bundesrechungshof nicht nur fiskalisch, sondern auch inhaltlich-politisch.

Der DOSB entscheidet mit Hilfe der Zielvereinbarungen, wie viel Steuergeld an seine Mitgliedsverbände geht. Zwar sei nicht ungewöhnlich, dass private Organisationen wie der DOSB diese Gelder verteilen, sagt Steuerzahler-Präsident Rainer Holznagel. Doch sei die Frage, was mit dem Steuergeld passiert. “Wird es sachgerecht eingesetzt? Versickert es nicht? Gibt es nicht zu viel Strukturen, wo der Kopf mehr frisst als das Ziel eigentlich benötigt?" Rainer Holznagel glaubt, dass man solche privaten Verteil-Konstruktionen sehr kritisch hinterfragen muss. "Der Bundesrechnungshof wird die Prüfberichte präsentieren und dann werden wir bewerten müssen, ob das System, so wie es jetzt ist, weiterhin Bestand haben wird", sagt Holznagel.

Sportsprecher äußerten sich positiv

Für die Bewertung ist die Politik zuständig. Diese begrüßt die Prüfung des Bundesrechnungshofes durch die Bank. Auf Anfrage äußerten sich die Sportsprecher aller Parteien positiv, lediglich die CDU antwortete nicht. Die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag kritisiert schon lange, dass über die geheim gehaltenen Zielvereinbarungen viel zu wenig bekannt sei. Die Grüne Viola von Cramon hat ihre eigenen Erwartungen an die Prüfung. Sie erinnert an die weit verfehlte Medaillenvorgabe von 86 Medaillen. "Wir wissen eben nicht: Sind diese Zielvorgaben bewusst falsch und überhöht angesetzt worden? Kann man da eventuell von einer Art Subventionsbetrug sprechen?"

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Von Robert Kempe und Daniel Drepper

Dass der Bundesrechnungshof solche sportfachlichen Fragen beantworten wird, ist nicht zu erwarten. Fraglich ist auch, ob die Kontrollen politische Folgen haben werden. In den vergangenen Jahren hat der Bundesrechnungshof hin und wieder Teile des Spitzensportes untersucht. Vor knapp vier Jahren beleuchteten die Prüfer die Sportförderung der Bundeswehr. Das Urteil: Die Abteilung führe ein Eigenleben und sei intransparent. Geändert hat sich daran bis heute im Grunde nichts.

Während der Rechnungshof sich aufmacht, die Zielvereinbarungen ins Visier zu nehmen, haben drei Politiker erstmals Einblick nehmen können in die unter Verschluss gehaltenen Dokumente. Am letzten Sitzungstag im alten Jahr, am 14. Dezember durften Mitglieder des Haushaltsausschusses die Dokumente unter Aufsicht von Staatssekretär Christoph Bergner und Abteilungsleiter Gerhard Böhm einsehen. Notieren oder gar kopieren durften sie jedoch nichts.

Die überraschende Einsichtnahme geht auf eine Initiative des SPD-Politikers Peter Danckert zurück. Im Haushaltsausschuss ist Danckert Berichterstatter für den Sportetat des Innenministeriums. Ausgelöst durch die Debatten um die Medaillenziele bei den Olympischen Spielen in London, ging Danckert für sein Begehren jetzt unter anderem zum zuständigen Minister Hans-Peter Friedrich.

Danckert hatte sich die rechtlichen Möglichkeiten angesehen und dann "mit großem Nachdruck auch unter Hinweis auf eine mögliche Klage meinerseits vor dem Bundesverfassungsgericht auf die Situation aufmerksam gemacht.” Das Ministerium sei tatsächlich erst eingeknickt, als er mit den konkreten rechtlichen Schritten drohte, sagt Danckert. Der ist beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe durch sein Vorgehen gegen das Prozedere bei der Euro-Rettung ein alter Bekannter.

Neben Danckert konnten auch Norbert Barthle, CDU, und Katja Dörner von den Grünen gut zwei Stunden in die Unterlagen blicken. Nach der Einsichtnahme kann die Grünenpolitikerin Katja Dörner die bisherige Geheimhaltung erst recht nicht nachvollziehen. "Ich finde, dass es regelrecht albern ist, ein solches Geheimnis um diese Zielvereinbarungen zu machen. Die werden behandelt wie ein Staatsgeheimnis und das ist sicherlich nicht gerechtfertigt."

Zusammen mit den Haushaltspolitikern wollte im Dezember auch SPD-Sportsprecher Martin Gerster Einsicht nehmen. Diese sei ihm auch schon mündlich zugesagt worden, so Gerster. Die Vertreter des Innenministeriums überlegten es sich wohl aber vor Ort anders und warfen Gerster wieder hinaus. Der beschwerte sich schriftlich beim Ministerium. Demnächst soll nun auch der Sportausschuss die Zielvereinbarungen sehen dürfen.

Zielvereinbarungen für Rio 2016 werden aktuell verhandelt 

Vor allem Sportpolitiker von SPD und Grünen hatten in den vergangenen Jahren regelmäßig gefordert, die Zielvereinbarungen transparent zu machen. Dass jetzt nicht die Fachpolitiker, sondern die Berichterstatter des Haushaltsausschusses Einsicht bekamen, macht deutlich, wie niedrig offenbar der Stellenwert des Sportausschusses im BMI ist. Einen offiziellen Antrag auf Einsichtnahme hatten die Sportpolitiker wohl nie gestellt. Das Innenministerium teilte auf Anfrage schriftlich mit: "Ein formeller Antrag auf Einsichtnahme in die Zielvereinbarungen ist erstmals vom Abgeordneten Prof. Dr. Danckert gestellt worden."

Unterschrift für Rio-Vereinbarungen wohl Ende April

Hat der Sportausschuss all die Jahre nie ernsthaft versucht, an die Dokumente zu kommen? Schon die Medaillenvorgaben für die Olympischen Spiele waren nicht durch die Politiker an die Öffentlichkeit gekommen, sondern erst nach einer Auskunftsklage der WAZ-Mediengruppe. Die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag räumt auf Nachfrage ein, dass kein Mitglied des Ausschusses je einen formalen Antrag auf Einsicht gestellt habe. Aktuell werden die neuen Zielvereinbarungen für Rio 2016 verhandelt. Auch die müssen jetzt öffentlich werden, fordert Dagmar Freitag. "Wenn Abgeordnete etwas sehen wollen, was mit ihrer unmittelbaren Arbeit zu tun hat, in diesem Fall mit der Bereitstellung der Haushaltsmittel, muss das möglich sein."

Bis die Rio-Vereinbarungen unterschrieben sind, wird es laut DOSB-Generaldirektor Michael Vesper wohl Ende April werden. Die Dokumente will der DOSB Vesper zufolge in Zukunft so transparent machen, dass gesonderte Einsichtnahmen durch die Abgeordneten überflüssig werden. In den laufenden Verhandlungen mit den Verbänden bespricht der DOSB bereits die mögliche Art und Weise einer Veröffentlichung. Genaueres wollte Vesper nicht mitteilen.