Essen. Jonas Reckermann hat seine Beachvolleyball-Karriere beendet. “Diese Entscheidung war alternativlos“, betont der der 33-Jährige. Weil sie der Gesundheit geschuldet ist. Schon beim Olympia-Triumph in London habe Reckermann mehr Zeit beim Physio als im Sand verbracht. Trotzdem will der Sportler “nicht in Depressionen versinken.“

Der Blick geht zurück nach London auf den in Flutlicht getauchten Platz der Horse Guards Parade im Herzen der Weltstadt. Wie die Fans ausrasten, nachdem der letzte Angriffsball der Brasilianer neben der Linie gelandet ist, und wie zwei Deutsche beginnen, einen bizarren Tanz im Sand aufzuführen, um dann jubelnd übereinander herzufallen.

"Diese Entscheidung war alternativlos"

Millionen Zuschauer haben das Spektakel am Bildschirm verfolgt und dabei ihr Herz für Beachvolleyball entdeckt, eine Sportart, die hierzulande zuvor allenfalls eine Randerscheinung war. Nicht einmal ein halbes Jahr ist es her, seit Julius Brink und Jonas Reckermann bei den Olympischen Spielen die Welt der Strandartisten aus den Angeln hevbelten, und doch ist der größte Erfolg im deutschen Volleyball inzwischen Geschichte.

Denn das Duo gibt es nicht mehr. Reckermann hat seine Karriere beendet. "Es tut weh", sagt der scheidende Sportler, "denn mir wird bewusst, dass eine große Zeit zu Ende geht." Dennoch muss es sein, "diese Entscheidung", betont Reckermann, "ist alternativlos". Weil sie der Gesundheit geschuldet ist, "und die setze ich nicht aufs Spiel ."

Seit Jahren plagt sich der lange Blockspieler mit diversen Verletzungen, nun – mit 33 Jahren – hat sich die Situation so zugespitzt, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Dieses Mal ist es nicht die Schulter, die Reckermann im vergangenen Jahr beinahe den Olympiastart gekostet hätte. Das sensible Gelenk befindet sich nach einer Operation Anfang Oktober auf dem Weg der Besserung. Dafür zwingen Rückenprobleme zum Karriereende.

Lange Pause schon 2006

Bereits 2006 musste der in Köln lebende Athlet ein Jahr wegen Rückenbeschwerden aussetzen, diesmal gibt es keinen Weg zurück. Der Düsseldorfer Sportmediziner und ehemalige Volleyball-Nationalspieler Dr. Antonius Kass sagt: "Bei Beibehaltung der bisherigen Trainings- und Turnierintensität käme es zu einem Fortschreiten der irreversiblen Schädigung." Das will Reckermann nicht riskieren und zieht deshalb den Schlussstrich.

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In den Entscheidungsprozess waren Brink und das Trainerteam eng eingebunden, er sei so abgelaufen, "wie wir Jonas kennen", berichtet der ehemalige Mitspieler: "Ehrlich und ohne Schnörkel." Brink berichtet von Wehmut und Trauer in den gemeinsamen Gesprächen, "weil eine unglaubliche Partnerschaft zu Ende geht, die uns immer verbinden wird."

Der Drahtseilakt von London

Tatsächlich schrieben Brink/Reckermann während ihrer vierjährigen Liaison eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht: Drei Mal Deutscher Meister, zwei Mal Europameister, der Gewinn der Weltmeisterschaft im norwegischen Stavanger, der alles überstrahlende Olympia-Triumph.

Reckermann agierte überragend, und doch war er schon nicht mehr auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Reckermann spricht über das letzte Jahr seiner Karriere von einem "Drahtseilakt", weil das Ringen um die Fitness zu einem ewigen Kampf geworden war: "Wir haben das zwar nicht an die große Glocke gehängt, aber ich war während der Wochen in London vermutlich jeden Tag länger beim Physio als im Sand."

Partner Brink macht weiter

Diese Qual ist nun beendet, zu einem Zeitpunkt, an dem es ruhig noch ein wenig weiter hätte gehen dürfen. Schließlich böte diese Saison die Chance, den Olympiaruhm zu versilbern. Obwohl es dazu nicht kommen wird, spricht Julius Brink von einem "perfekten Ausstieg für Jonas". Was sich paradox anhört, erläutert der Abwehrspieler so: "Jonas hört auf dem Zenit auf, das halte ich für ein Riesen-Privileg, auch wenn er zu dieser Entscheidung gezwungen wird."

Der 30-jährige Brink wird seine Karriere nun mit Sebastian Fuchs (26) fortsetzen und versuchen, 2016 erneut für olympische Glanzlichter zu sorgen. Währenddessen wird Reckermann erst einmal "links und rechts schauen" und die neue Freiheit mit seiner Frau Katja und dem Mitte November geborenen Sohn Emil genießen. Ein Schicksal, betont er, drohe ihm auf gar keinen Fall: "Ich werde mit Sicherheit nicht dauerhaft in Depressionen versinken."