London. Die deutschen Beachvolleyballer Julius Brink und Jonas Reckermann stehen bei den Olympischen Spielen im Finale. Jetzt wollen die amtierenden Europameister am Donnerstagabend die brasilianischen Weltmeister Alison/Emanuel schlagen. Vor dem Endspiel gibt sich Reckermann selbstbewusst.

Wie ruhig und gelassen sie durch den nassen Sand stapfen. Julius Brink und Jonas Reckermann scheinen beeindruckend coole Jungs zu sein. Um sie herum hüpfen 11000 Zuschauer auf den Tribünen, sie klatschen, sie kreischen, sie steigern die vibrierende Flutlicht-Atmosphäre gegen Mitternacht ins Dramatische.

Ein Punkt noch, ein einziger Punkt noch – und die deutschen Beachvolleyballer stehen im Endspiel der Olympischen Spiele von London. Und was machen sie? Sie schlurfen scheinbar unbeeindruckt, fast teilnahmslos gar auf ihre Positionen.

Übermannt von Gefühlen

„Das ist in dem Moment eine große schauspielerische Leistung“, sagt Julius Brink wenig später. Denn natürlich schießt das Adrenalin in diesem Augenblick durch ihre Körper, natürlich sind ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. All das ändert sich erst, als der Ball Sekunden später nach mitreißenden Stafetten auf der niederländischen Seite in den Sand fällt. Brink und Reckermann sinken übermannt von ihren Gefühlen in den Sand.

Die olympische Silbermedaille ist ihnen nach diesem 2:0 (21:14, 21:16) im Halbfinale gegen die Niederländer Reinder Nummerdor und Rich Schuil nicht mehr zu nehmen. Diese ersehnte Medaille, die nach der bronzenen von Jörg Ahmann/Axel Hager 2000 in Sydney erst die zweite olympische für deutsche Beachvolleyballer ist.

Allerdings halten sich der in Münster geborene Julius Brink und sein Partner Jonas Reckermann, der aus Rheine stammt, nicht lange mit ihrem Halbfinal-Triumph auf. Denn jetzt wollen sie mehr, jetzt wollen die amtierenden Europameister am Donnerstagabend im Endspiel um 22 Uhr die brasilianischen Weltmeister Alison/Emanuel schlagen.

„Braslianer sind nicht unschlagbar“

„Wir werden denen das Gold nicht schenken“, sagt Reckermann selbstbewusst. „Natürlich sind wir eher die Außenseiter“, ergänzt er, „aber unschlagbar sind die Brasilianer auch nicht. Wir wollen Gold.“

Wie verrückt müssen den beiden Wahl-Berlinern, die sich so gut ergänzen, in diesem Augenblick die vergangenen Monate erscheinen. Reckermanns Schulterverletzung im Frühjahr, die zunächst keinen Start auf der Welttour zuließ. Die gewonnene Europameisterschaft beim ersten Turnier nach der Zwangspause. Und selbst während der Spiele in London plagen Husten und Schnupfen den Zwei-Meter-Recken Reckermann, dessen Schmetterschläge die Punkte bringen, während Brink die Bälle knapp über dem eigenen Sand rettet.

Trotzdem stehen sie im olympischen Finale, sie, die seit 2009 zusammenspielen und zum Start prompt Weltmeister wurden. Nur einen Satz entscheidet das Duo im Herzen Londons, im Schatten von Big Ben und London Eye, bislang nicht für sich. Das Schönste daran: „Wir haben einen Plan – und der funktioniert“, sagt Brink.

Edelmetall war nicht primäres Ziel

„Darauf bin ich unwahrscheinlich stolz“, erklärt der 30-Jährige weiter. „Es war ein riesen Traum von uns, hier zu spielen. Für den haben wir vier Jahre gelebt und gearbeitet.“ Nicht mit dem primären Ziel allerdings, olympisches Edelmetall zu holen. „Wir wollten einfach unsere Philosophie auf den Sand bringen.“

Die scheint zu stimmen, ihr Plan geht auf – nun müssen sie nur noch im Endspiel nach eigenen Angaben erstmals seit zwei Jahren die Brasilianer schlagen. „Die spielen ja auch ‚nur’ sehr, sehr gutes Beachvolleyball“, sagt Julius Brink weit nach Mitternacht.

Als sich die Partystimmung auf den Tribünen nach dem verwandelten Matchball langsam legt, als selbst die dröhnende Stimme des Ansagers nicht mehr klingt, als wäre er eigentlich Kirmes-Buden-Besitzer, sitzt Julius Brink noch lange auf der Spielerbank. Das Handtuch über den Kopf geworfen. Seine Gedanken in diesem Moment? „Man begreift langsam, was man fabriziert hat.“ Und das ist selbst für scheinbar coole Jungs wie Julius Brink und Jonas Reckermann etwas ziemlich Gewaltiges. Jetzt schon.