London. Julius Brink und Jonas Reckermann sind Deutschlands erste Olympiasieger im Beachvolleyball. Die Zukunft der goldenen Beach-Boys ist allerdings nur für das nächste Jahr geklärt. „Wir wollen jetzt erstmal diesen außergewöhnlichen Moment genießen“, sagt Reckermann.

Das ist schlicht seine Aufgabe. Aber den 15 000 sonst vor Begeisterung fast ausflippenden Zuschauer stockt der Atem. Wenn die Gegner schmettern oder lupfen, muss Julius Brink diese Bälle parieren, sie im Spiel halten. Und deshalb springt der 30-Jährige auch in diesem Augenblick, in dieser Sekunde ab.

Brink fliegt knapp über den Boden, er macht sich lang und länger – und erreicht den Ball trotzdem nicht. Als dieser in den Sand tropft, ist der Schlusspunkt eines Dramas gesetzt. Mit verheulten Augen sagt Brink, der gebürtige Münsteraner, später: „Ich danke Gott, dass ich ihn verpasst habe.“ Denn Emanuel Regos Angriffsschlag landet im Aus. Millimeter im Aus.

Eruption der Emotionen auf der Horse-Guards-Parade

Es folgt eine Eruption der Emotionen. Ein Jubelorkan, der Horse-Guards-Parade, den Appellplatz der königlichen Reiterstaffel im Herzen Londons, erzittern lässt, als würde die Metropole von einem Erdbeben heimgesucht. Julius Brink und Jonas Reckermann sind Olympiasieger im Beachvolleyball. Deutschlands erste, Europas erste. Das 2:1 (23:21, 16:21, 16:14) gegen die brasilianischen Weltmeister Alison Cerutti und Emanuel Rego beschert den deutschen Beach-Boys eine wirklich historische Goldmedaille.

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„Es ist ein unglaublich überwältigendes Gefühl“, sagt Julius Brink, „es ist schwer zu begreifen, was wir hier erreicht haben.“ Selbst sein sonst so besonnener Kumpel Jonas Reckermann, der aus Rheine stammt, fällt nach dem endlich genutzten vierten Matchball überglücklich auf die Knie. „Am Ende ist mir das Herz noch einmal in die Hose gerutscht“, sagt der 33-Jährige, „aber der Volleyballgott war auf unserer Seite. Es ist einfach nur geil.“

Eine innige Umarmung im Sand folgt, ein Triumph-Sprint mit der deutschen Fahne quer über den Court. Die „Schlacht“, von der Emanuel Rego später spricht, dieser Final-Krimi mit so vielen sensationellen Ballwechseln, mit Höhen und Tiefen auf beiden Seiten staut Gefühle en masse auf, die einfach nur `raus wollen. Sogar um drei in der Früh weicht das ins Gesicht zementierte Dauergrinsen bei Brink/Reckermann nicht, obwohl kein Club mehr zu finden ist, in dem die Gold-Party mit Familie, Freunden und engen Bekannten weiter gehen kann.

Gibt es ein Erfolgsgeheimnis dieser Gute-Laune-Jungs mit den Dreitagebärten, die für den aus deutscher Sicht emotionalsten Moment der Olympischen Spiele sorgen? „Wir ergänzen uns und können uns aufeinander verlassen“, sagt Reckermann. Die vielen Kleinigkeiten möchte er in diesem glanzvollen Augenblick nicht aufzählen. „Bitte nur kurze Fragen und kurze Antworten. Ich will einfach nur abfeiern.“

Zukunft der goldenen Beach-Boys ist nur für 2013 geklärt

Eine Antwort allerdings fällt etwas länger aus. Sie muss etwas länger ausfallen. „Dazu kann ich nichts sagen. Meine Oma schaut zu“, windet sich Julius Brink noch frech grinsend vor den Fernsehkameras. Später lüftet er das Geheimnis doch und erzählt über diese zwei außergewöhnlichen Maskottchen, die sich Brink/Reckermann vor der Abreise nach London aus dem Internet bestellten. „Gummipuppen“, sagt er in der offiziellen Pressekonferenz und grinst verlegen, während Reckermann vor Lachen fast vom Stuhl fällt und die Übersetzerin tiefrot anläuft.

Aufgeblasen sollten sie im Appartement der deutschen Beachvolleyballer eigentlich mit der offiziellen Kleidung versehen werden. „Wir brauchten halt etwas für die Klamotten - und nichts anderes.“ Weil das Weltmeister-Duo von 2009 vor den Spielen aber aus dem Olympischen Dorf in private Hotelzimmer zog, um sich in Ruhe vorbereiten zu können, blieb es bei der Idee. Den Puppen widerfuhr Schreckliches: „Ohne näher ins Detail gehen zu wollen, aber als unsere Frauenteams aus dem Turnier ausgeschieden sind, haben sie die armen Puppen übelst misshandelt“, sagt Brink.

Obwohl in Plauderlaune verplappert sich das Duo, welches seit vier Jahren gemeinsam unterwegs ist, bei einem Thema nicht. Die Zukunft der goldenen Beach-Boys ist nur für das nächste Jahr geklärt. „Wir wollen jetzt erstmal diesen außergewöhnlichen Moment genießen“, sagt Jonas Reckermann, der im November Vater wird, „zu allen anderen Themen können Sie mich vielleicht in zwei Wochen befragen.“ Falls er bis dahin realisiert hat, wozu die missratene Abwehraktion seines Kollegen führte.