Berlin. Fristgerecht hat Claudia Pechstein ihre Millionenklage gegen den Weltverband ISU auf Schadenersatz eingereicht. Doch die Berlinerin weiß, dass nun ein jahrelanger Kampf vor Zivilgerichten droht. Bei Leichtathletin Katrin Krabbe dauerte er über sieben Jahre.

Ihr letzter juristischer Kampf wird ein Marathon. Claudia Pechstein lässt in der Auseinandersetzung um ihr ramponiertes Image und viel verlorenes Geld nicht locker. Fristgerecht reichte die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin zum letzten Tag des Jahres ihre seit Oktober 2011 angekündigte Schadenersatzklage gegen den Eislauf-Weltverband ISU beim Landgericht München ein. "Ich werde den Kampf unter Aufbietung meiner letzten Mittel und unter Ausnutzung sämtlicher Möglichkeiten führen", kündigte Pechstein an.

Nachdem sie am 8. Februar 2009 wegen schwankender Retikulozyten-Blutwerte für zwei Jahre gesperrt worden war, hatte Pechstein auf sportrechtlichem Wege alle Möglichkeiten bis hin zum Internationalen Sportgerichtshof CAS sowie dem Schweizer Bundesgericht ausgeschöpft und alle Revisions-Prozesse verloren. Inzwischen ist aber medizinisch anerkannt, dass die Gründe für ihre erhöhten Blutwerte in einer vom Vater vererbten Blutanomalie liegen. "Ich werde den Kampf um meine Ehre erst beenden, wenn der Weltverband sich zu dem verhängnisvollen Fehlurteil bekannt hat oder die Fehler von einem Gericht festgestellt worden sind", erklärte sie.

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Mit der Millionenklage versucht die 40 Jahre alte Hauptstädterin nicht nur, ihren durch die Sperre ramponierten Ruf aufzubessern. "Der Rufschaden meiner Person - und das ist mir sehr wohl klar - ist irreparabel", meinte Pechstein. Ihr materieller Schaden belaufe sich durch entgangene Sponsorengelder, Gerichtsgebühren, Anwalts- und Gutachterkosten auf mehrere Millionen Euro.

Auch Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft verklagt

Neben der ISU wird auch die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG verklagt, weil sie die Sperre in Deutschland durchgesetzt hatte. Die erfolgreichste deutsche Winterolympionikin informierte daher am 21. Dezember in einer Rundmail Auswahl-Athleten, Funktionäre und Trainer über ihren Schritt. Ihr Ziel sei es nicht, "dem Eisschnelllauf-Sport zu schaden, sondern mein Recht zu bekommen".

Bei der DESG stieß die Klage am Sonntag auf verhaltenes Echo. "Es ist ein Weihnachtsgeschenk ganz anderer Art", sagte Sportdirektor Günter Schumacher. Man werde sich kommende Woche zusammensetzen und beraten, wie mit dem Fall umzugehen sei. "Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Es dürfte nicht ihr Ansinnen sein, uns in die Haftung zu nehmen. Es ist eine rein juristische Notwendigkeit", meinte DESG-Präsident Gerd Heinze.

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150-seitige Klageschrift

Pechstein wird bei ihrer Klage von Rechtsanwalt Thomas Summerer unterstützt, der Sprinterin Katrin Krabbe im Jahr 2001 zu einem Schadenersatz von 1,5 Millionen Mark vom Leichtathletik-Weltverband IAAF verholfen hatte. "Die Erfolgsaussichten sind so gut wie bei Krabbe", erklärte Summerer der "Berliner Morgenpost" (Samstag).

Seit drei Monaten arbeitet er gemeinsam mit den Anwälten Simon Bergmann und Christian Krähe an der Klage und hat die gut 150 Seiten umfassende Schrift aufgesetzt. "Beide Fälle haben eine große Ähnlichkeit miteinander. Es geht um grobe Fehler eines internationalen Sportverbandes und um Grundrechte, die verletzt worden sind", sagte Summerer.

Ähnlich lang wie im Fall Krabbe?

Der Anwalt befürchtet ein ähnlich langes Verfahren wie damals im Fall Krabbe, als eine Einigung 2001 erst nach sieben Prozess-Jahren zustande kam. Summerer geht nun davon aus, dass Mitte 2013 die erste Verhandlung ansteht, weiteren Instanzen könnten folgen. Im Fall Krabbe ging es um den Missbrauch von Clenbuterol, das damals noch nicht auf der Dopingliste stand. Krabbe wurde vom DLV für ein Jahr gesperrt, der Weltverband hängte zu Unrecht noch zwei Jahre dran. Damals habe sich die IAAF "lange sehr arrogant verhalten", aber letztlich doch einem Vergleich zugestimmt, erinnerte sich Summerer.

Die Pechstein-Karriere

Die deutsche Rekord-Winter-Olympionikin Claudia Pechstein, geboren am 22. Februar 1972, ist eine echte Berliner Göre. Früh brachten ihre Eltern sie zum Sport, zuerst zum Eiskunstlauf und später zum Eisschnelllauf.
Die deutsche Rekord-Winter-Olympionikin Claudia Pechstein, geboren am 22. Februar 1972, ist eine echte Berliner Göre. Früh brachten ihre Eltern sie zum Sport, zuerst zum Eiskunstlauf und später zum Eisschnelllauf. © AP
Viele Trainingseinheiten später, schaffte sie 1985 ihren ersten großen Erfolg, als sie bei der Kinder- und Jugendspartakiade der DDR auf dem ersten Platz landete.
Viele Trainingseinheiten später, schaffte sie 1985 ihren ersten großen Erfolg, als sie bei der Kinder- und Jugendspartakiade der DDR auf dem ersten Platz landete. © imago
Und nun nahm der Erfolg seinen Lauf. 1992 trat sie erstmals bei den von ihr so heiß geliebten Olympischen Spielen an und ...
Und nun nahm der Erfolg seinen Lauf. 1992 trat sie erstmals bei den von ihr so heiß geliebten Olympischen Spielen an und ... © imago
... schaffte es auch direkt auf den dritten Platz über 5000 Meter.
... schaffte es auch direkt auf den dritten Platz über 5000 Meter. © imago
Vor den nächsten Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer wurde sie jedoch krank, ihre Hoffnungen auf eine Teilnahme sanken. Doch ihr Trainer Joachim Franke schaffte es, sie durch ein spezielles Trainingsprogramm noch rechtzeitig startklar zu machen.
Vor den nächsten Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer wurde sie jedoch krank, ihre Hoffnungen auf eine Teilnahme sanken. Doch ihr Trainer Joachim Franke schaffte es, sie durch ein spezielles Trainingsprogramm noch rechtzeitig startklar zu machen. © imago
Claudia Pechstein gewann sowohl die Goldmedaille über 5000 Meter als auch die Bronzemedaille über 3000 Meter, steigerte ihre Bestzeit um knapp zwanzig Sekunden und durfte auf der Abschlussfeier sogar die deutsche Fahne tragen.
Claudia Pechstein gewann sowohl die Goldmedaille über 5000 Meter als auch die Bronzemedaille über 3000 Meter, steigerte ihre Bestzeit um knapp zwanzig Sekunden und durfte auf der Abschlussfeier sogar die deutsche Fahne tragen. © imago
Für die Berlinerin waren immer die Olympischen Spiele das Ziel. Vier Jahre auf etwas hintrainieren und dann zeigen, dass man seine Leistung konstant halten kann.
Für die Berlinerin waren immer die Olympischen Spiele das Ziel. Vier Jahre auf etwas hintrainieren und dann zeigen, dass man seine Leistung konstant halten kann. © imago
Ein Eislauf-Krimi spielte sich in Nagano bei den 5000 Metern 1998 ab: Nachdem Gunda Niemann vorgelegt hatte, schaffte es Claudia, sie mit vier Hundertstel zu schlagen und gewann Gold.
Ein Eislauf-Krimi spielte sich in Nagano bei den 5000 Metern 1998 ab: Nachdem Gunda Niemann vorgelegt hatte, schaffte es Claudia, sie mit vier Hundertstel zu schlagen und gewann Gold. © imago
Darauf folgte dann auch noch die Silbermedaille über die 3000 Meter.
Darauf folgte dann auch noch die Silbermedaille über die 3000 Meter. © imago
Aber ihr Leben bestand nicht nur aus Eisschnelllauf, sie gewann im selben Jahr eine Silbermedaille bei den Skatern...
Aber ihr Leben bestand nicht nur aus Eisschnelllauf, sie gewann im selben Jahr eine Silbermedaille bei den Skatern... © imago
... und auch Privat fand sie ihr Glück und heiratete 1999 den Börsenmakler Marcus Bucklitsch.
... und auch Privat fand sie ihr Glück und heiratete 1999 den Börsenmakler Marcus Bucklitsch. © imago
Das
Das "Zickenduell" zwischen Anni Friesinger und Claudia Pechstein überschattete die Olympischen Spiele 2002 in Salt Lake City... © AFP
... aber schaffte auch zusätzliche Motivation: Claudia Pechstein wurde doppelte Olympiasiegerin!
... aber schaffte auch zusätzliche Motivation: Claudia Pechstein wurde doppelte Olympiasiegerin! © imago
Claudia Pechstein wurde immer populärer. Sie bekam das Bundesverdienstkreuz von Klaus Böger überreicht...
Claudia Pechstein wurde immer populärer. Sie bekam das Bundesverdienstkreuz von Klaus Böger überreicht... © imago
... und gewann etliche Preise, unter anderem die Goldene Henne in der Kategorie Olympia.
... und gewann etliche Preise, unter anderem die Goldene Henne in der Kategorie Olympia. © imago
Bei den Olympischen Spielen in Turin 2006 erreichte sie über die 3000 Meter nur Platz fünf. Über die 1500 Meter trat sie nicht an.
Bei den Olympischen Spielen in Turin 2006 erreichte sie über die 3000 Meter nur Platz fünf. Über die 1500 Meter trat sie nicht an. © AFP
Sie konnte dann doch noch mit dem Team glänzen und gewann Gold.
Sie konnte dann doch noch mit dem Team glänzen und gewann Gold. © ddp
Und nun? Anfang Juli 2009 wurde bekannt, dass sie aufgrund einer erhöhten Retikulozytenzahl im Blut von der ISU für zwei Jahre gesperrt wurde. Verbotene Doping-Substanzen konnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Pechstein klagt nun vor dem Internationalen Sportgerichtshof.
Und nun? Anfang Juli 2009 wurde bekannt, dass sie aufgrund einer erhöhten Retikulozytenzahl im Blut von der ISU für zwei Jahre gesperrt wurde. Verbotene Doping-Substanzen konnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Pechstein klagt nun vor dem Internationalen Sportgerichtshof. © imago
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Auf dem Eis hatte Pechstein nach ihrer Sperre sofort wieder den Anschluss an die Weltspitze gefunden. Bei den Weltmeisterschaften 2011 und 2012 holte sie sich Anhieb Medaillen. Im November kam sie mit 40 Jahren in Kolomna zum 29. Weltcupsieg und verbuchte eine Woche später ihre 100. Podestplatzierung im Eisschnelllauf-Weltcup. (dpa)