Essen. Geschichte sollte geschrieben werden - und sie wurde geschrieben. Allerdings nicht im Sinne der Engländer. Roger Federer verhinderte mit seinem 7. Wimbledonsieg den ersten Triumph eines Briten seit 1936. Und eine späte Genugtuung für Ivan Lendl. Ein Kommentar.
Ein Buchstabe macht den Unterschied. Als erster Brite seit 1936 wieder einen Titel in Wimbledon gewonnen – und dennoch keine große Tennisgeschichte geschrieben. Ist hier doch nicht von Andy Murray die Rede. Sondern von dessen Landsmann Jonathan Marray, der an der Seite des Dänen Frederik Nielsen die Doppel-Konkurrenz gewann. Eher eine Fußnote in der glorreichen Wimbledon-Historie und ein entsprechend schwacher Trost für das Vereinigte Königreich, dessen ganze Prominenz sich am Sonntag in Erwartung eines sporthistorischen Ereignisses in den Logen des berühmtesten Center Courts der Welt verabredet zu haben schien.
Murrays Sieg wäre die noch größere Geschichte gewesen
Nicht, dass jemand dem fabelhaften Roger Federer seinen siebten Triumph im Mekka des Tennissports nicht gegönnt hätte. Aber die noch größere Geschichte (auf der Insel sowieso) wäre nun einmal die des ersten britischen Einzel-Wimbledonsiegers seit dem legendären Fred Perry (1936) gewesen, dessen Namen die heutigen Fans wohl nur noch als Mode-Label kennen.
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Ein Sieg des Schotten Andy Murray, den die Engländer bei aller sonstigen Distanziertheit zu den „Bravehearts“ aus den Norden in Ermangelung eigener Hoffnungsträger kurzerhand vereinnahmten, hätte der Tenniswelt zudem noch eine wundervolle Pointe beschert. Ausgerechnet der große Ivan Lendl, dem als Spieler der Triumph auf dem „heiligen Rasen“ auf beinahe schon tragische Weise versagt geblieben ist, hätte als Murrays Trainer doch noch sein spätes Wimbledon-Glück gefunden.
Was macht es dagegen für einen Unterschied, ob Roger Federer 16 oder – wie jetzt – 17 Grand-Slam-Titel geholt hat?
Djokovic und Nadal hatten Federer zuletzt den Rang abgelaufen
Auf der anderen Seite ist Federers Leistung nicht hoch genug einzuschätzen. Obwohl mit „30“ noch keineswegs im sportlichen Rentenalter, schienen die ganz großen Erfolge, jene in den vier Grand-Slam-Turnieren, für den Schweizer unerreichbar geworden. Novak Djokovic und Rafael Nadal hatten ihm in den vergangenen zwei Jahren den Rang abgelaufen, nur noch den Zutritt zu einem einzigen der vorangegangenen neun Grand-Slam-Endspiele erlaubt. Und nun dieses beeindruckende, ja: darf man überhaupt von Comeback reden, wo der Mann doch nie weg war?
Auch Roger Federer hat in Wimbledon wieder Tennis-Geschichte geschrieben. Leider ohne dass daran deutsche Fernseh-Zuschauer, so sie keine Abonnenten eines Bezahlsenders sind, Anteil nehmen konnten. Doch das ist eine andere, traurige Geschichte ...