Pulheim. Golf-Ass Marcel Siem aus Mettmann ist bei den BMW International Open in Pulheim am verflixten siebten Loch gescheitert. Er riskierte viel und landete am Ende Platz sechs. Dabei war er zunächst nahe der Perfektion.

Es stimmt schon, dass Marcel Siem ein echter Draufgänger ist. Das zeigt schon seine sportliche Leidenschaft abseits des Golfplatzes: Siem liebt rasant schnelle Autos. Der Mann aus Ratingen geht halt gerne aufs Ganze – er ist ein Zocker vor dem Herrn, doch am Sonntag kostete ihn auch sein mutiges Draufgängertum den möglichen Triumph bei den BMW International Open in Pulheim bei Köln.

Beim Sieg des Engländers Danny Willett, der sich nach insgesamt 277 Schlägen im Stechen am vierten Extra-Loch gegen Marcus Fraser (Australien) durchsetzte, landete Siem mit nur zwei Schlägen Rückstand (279) auf dem geteilten sechsten Rang. Weil er sich an Bahn sieben (Par 3) einen Triple-Bogey geleistet hatte, der ihn drei Schläge kostete. „Das war schade, aber ich bin stolz drauf, dass ich mich danach noch mal zurückgekämpft habe und am Ende sogar noch einen Putt zum Stechen hatte“, sagte Siem und bilanzierte: „Es war ein gutes Turnier – die Woche hat tierisch viel Spaß gemacht.“

Nicht nur ihm, sondern auch den Fans in Pulheim, denen Siem beim einzigen Turnier der European Tour in Deutschland eine große Show bot. Auch wenn Top-Star Martin Kaymer am Freitag bereits am Cut gescheitert war – und auch, wenn es am Sonntag in Strömen regnete. Nicht gerade feinstes Golfwetter.

Trotz begeisternder Aufholjagd war Golfer Marcel Siem am Ende entnervt

Das Pech am verflixten siebten Loch und seine Folgen zeigte die ganze Persönlichkeit des Marcel Siem: Nachdem der Ball nach dem Abschlag von der Grünkante ins Wasser gerollt war, kassierte er einen Strafschlag und musste den Ball droppen. Der folgende Chip war zu kurz gespielt, rollte wieder von der Grünkante ins Wasser und brachte Strafschlag Nummer zwei – am Ende musste er eine sechs statt der erhofften drei notieren.

Siem, der so sehr von seinen Emotionen lebt und sich zuvor mit einer begeisternden Aufholjagd nach vorne gekämpft hatte, war entnervt – an den folgenden beiden Spielbahnen handelte er sich noch zwei weitere Bogeys ein, auch an der acht landete der Ball wieder im Wasser. Ein typischer Siem: „Was ich manchmal für einen Mist baue“, schimpfte er danach, „ich bin nicht nervös, das sind Konzentrationsschwächen. Ich muss in solchen Situationen einfach cooler werden.“

Siem war der Perfektion bei BMW Open zunächst ziemlich nahe gekommen

Der 31 Jahre alte Ratinger gilt schon seit Jahren als Profi, der sein enormes Potenzial nicht vollends ausspielt – auf der Profi-Tour gelang ihm erst ein Sieg überhaupt: 2004 bei der Dunhill Championship. Er hat zwar mit Günter Kessler den gleichen Trainer wie Martin Kaymer, ist aber ein ganz anderer Typ als der ehemalige Weltranglisten-Erste aus dem benachbarten Mettmann. Siem ist extrem extrovertiert – der Mann mit dem Zopf lebt die Emotionen aus und feiert gelungene Schläge mit der Becker-Faust. Nur: ein Trainings-Weltmeister war er nie.

„In jungen Jahren hat mir die Arbeit nicht so viel Spaß gemacht“, gibt er zu, „ich hatte auch andere Sachen im Kopf.“ Doch das hat sich geändert: Siem spielt derzeit die beste Saison seiner Karriere, in der Weltrangliste hat er sich bis auf Platz 121 vorgearbeitet (Vorjahr 253). Und am Samstag, als er sich in Pulheim mit einer vorzüglichen 68-er Runde in den Favoritenkreis für die Schlussrunde der BMW Open gespielt hatte, war er der Perfektion ziemlich nahe gekommen: „Auf den ersten zwölf, dreizehn Löchern habe ich das vielleicht beste Golf gezeigt, das ich jemals gespielt habe.“

Fast hätte Siem noch den Einzug ins Stechen um den Sieg geschafft

Siem ist halt ein Mann der Extreme. Und es ist für ihn ein Zeichen des Aufwärtstrends, dass er sich diesmal am Sonntag von der verflixten Sieben nicht vollends entnerven ließ, sondern sich nach drei Löchern wieder fing und noch eine saubere Runde mit insgesamt sechs Birdies hinlegte. Und fast hätte er es sogar noch bis ins Stechen um den Sieg geschafft – eben ein echter Draufgänger.