München. . Dereck Chisora gerät nachts während der Pressekonferenz in eine wilde Prügelei mit dem früheren Box-Weltmeister David Haye. Zuvor hatte Chisora den WM-Kampf im Schwergewicht gegen Vitali Klitschko nach Punkten verloren.
Wenn man Dereck Chisora auch nur noch einen Teelöffel mehr Unverschämtheit und Frechheit gibt, dann platzt er. Erst ohrfeigt der englische Box-Profi den Schwergewichts-Weltmeister Vitali Klitschko in München beim Wiegen. Dann spuckt er Vitalis Bruder Wladimir vor dem ersten Gong ins Gesicht. Dann verliert er trotz einer annehmbaren Vorstellung einstimmig und korrekt nach Punkten den WM-Kampf. Dann geht es weit nach Mitternacht bei einer Prügelei während der Pressekonferenz richtig rund.
Denn Chisora ist einer der Typen, die im Kino für die Bösen sind. Und weil er in der Nacht von München auf noch einen dieser Menschen trifft, wird es richtig unterhaltsam.
Chisoras Gegenspieler um halb zwei Uhr morgens ist David Haye
Seine Gegenspieler sind gegen halb zwei Uhr morgens nicht mehr die Klitschkos, sondern es ist der frühere Welt meister David Haye. Haye hat zuvor den Kampf für das englische Fernsehen kommentiert und nutzt die Pressekonferenz, um sich als nächsten Gegner von Vitali Klitschko zu inszenieren. Als er gerade ein Wortgefecht mit Klitschko-Manager Bernd Bönte um Verträge und Garantiesummen austrägt, rastet Chisora aus.
Er merkt, dass ihm sein Landsmann die Show stiehlt. Nicht mit Chisora. Er schaltet sich in das Wortgefecht ein. Haye verspottet ihn als „Verlierer, Verlierer, Verlierer“, dabei grinst er und nimmt einen Schluck aus der Bierflasche.
Pub-Atmosphäre, zwei englische Sportsmänner, was braucht man mehr für eine gute Show? Puristen mögen die Prügelei als Skandal empfinden. Sie haben Recht! Doch Profiboxen ist Zirkus, und der braucht grelle Reklame. Gut und Börse vermischen sich in diesem Geschäft oft.
Haye knallt Chisora einen Haken vor die Brust
Chisora stürmt also vom Podium, auf dem er neben Vitali Klitschko gesessen hat, in den Zuschauerraum. Einer seiner Betreuer folgt ihm und wirft dabei ein Handtuch über die Schulter. Es sieht aus wie der Einmarsch zum Ring.
Und genauso geht es weiter. Chisora baut sich vor Haye auf, der knallt ihm einen Haken vor die Brust, und schon wälzen sich beide Schwergewichtler am Boden. Das Sicherheitspersonal – allesamt Männer, die aussehen wie gesperrte weißrussische Kugelstoßer -- wirkt unsicher. Natürlich sollten sie dazwischen gehen, wenn sich zwei Boxer außerhalb des Rings vermöbeln. Blieb nur die Frage: Wer geht als Erster dazwischen?
Irgendwann haben sie die Kämpfer dann doch getrennt. Haye steht mit dem Rücken an der Wand, Chisora schreitet schnaubend mit zerrissenem T-Shirt hinter der Sicherheits-Mauer um ihn herum. Auch Haye gibt keine Ruhe. Da er nicht an Chisora heran kommt, schnappt er sich ein Kamera-Stativ und feuert es auf Chisora. Der weicht aus, und das Stativ trifft Hayes eigenen Manager. Dieser wiederum sackt mit einer Platzwunde an der Stirn zu Boden.
Sehnenanriss bei Vitali Klitschko
Nach ein paar Minuten ist die Show aber schließlich vorbei, die Sicherheitsleute drängen Haye aus dem Saal. Vitali Klitschko hat aus der Distanz zugeschaut und schüttelt angewidert den Kopf: „Das hat mit unserem Sport nichts zu tun.“
Doch auf einmal interessieren sich auch Menschen für diesen Sport, die sich das Geschehen sonst nur im Fernsehen anschauen. Etwa die Polizei. Sie fährt am Sonntag am Hotel von Chisora vor und holt den Engländer ab, der auf dem Weg zum Flughafen ist. Allerdings liefern die Beamten ihn nicht dort ab, sondern auf dem Präsidium. Die Kripo ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen einer angeblichen Morddrohung. Chisora, so versichern Zeugen, habe gerufen: „Wenn du nicht gegen mich kämpfst, werde ich dich erschießen!“
Polizei sucht nach Haye
Auch Haye soll zur Vernehmung erscheinen, doch die Polizei findet ihn nicht. Der Engländer ist verschwunden. Ein Amtshilfegesuch der deutschen Polizei an die Kollegen in England ist unterwegs.
Der WM-Kampf selbst spielte nach dem Theater kaum noch eine Rolle. Klitschko hatte nicht geglänzt. Am Sonntag ergab eine Untersuchung im Klinikum, dass er seit der vierten Runde mit einem Sehnenanriss in der Schulter geboxt hatte. Trotzdem prallten die Angriffe von Chisora an ihm ab. Klitschko kann nicht nur austeilen, er hat einfach auch ein so kantiges Kinn, dass sich seine Gegner schnell die Hand daran brechen können.
Der nächste Gegner? Offen. Aber Klitschko, der in diesem Jahr 41 Jahre alt wird, will auf jeden Fall wieder in den Ring. „Ich habe noch Pulver übrig“, sagte er, als er das Krankenhaus schon wieder verließ.