Essen. . Fast sechs Jahre nach Beginn der „Operacion Puerto“ verurteilte der internationale Sportgerichtshof CAS Jan Ullrich rückwirkend zu einer zweijährigen Sperre. Eine Strafe, die dem 38-Jährigen sicher weniger weh tut als viele Enttäuschungen während seiner Karriere.

Das lange Warten ist beendet: 2088 Tage nach Beginn der „Operacion Puerto“ gegen den spanischen Doping-Arzt Dr. Eufemiano Fuentes hat der internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne das Urteil gegen Jan Ullrich gesprochen. Sechs Jahre nach seinem Ausschluss von der Tour de France 2006 wurde der inzwischen 38 Jahre alte ehemalige Radprofi schuldig gesprochen. Rückwirkend vom 22. August 2011 an verhängte der CAS eine zweijährige Sperre gegen den Wahl-Schweizer, die diesem bis August 2013 jede Tätigkeit im Profi-Radsport untersagt.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Ullrich spätestens seit 2005, vermutlich aber bereits seit 2004 als „Kunde“ von Fuentes Blut-Doping betrieben hat. Mit dem Schuldspruch erkannte der CAS Ullrich alle sportlichen Erfolge nach dem 1. Mai 2005 ab: Platz drei bei der Tour de France, Gesamtsieg bei der Tour de Suisse, Platz zwei bei der Deutschland-Rundfahrt, alles im selben Jahr. Strafen, die Jan Ullrich allerdings nicht mehr weh tun.

Geschichte voller Triumphe

Schon am Tag vor der Veröffentlichung hatte Ullrich bei einem Sponsoren-Termin in Bielefeld geäußert, für seine persönliche Zukunft werde das Urteil des höchsten Sportgerichts „überhaupt keine Bedeutung“ haben. Mit dem professionellen Radsport habe er abgeschlossen. Er will sich künftig im Breitensport sowie in diversen sportnahen Geschäftsbereichen engagieren.

Die Geschichte von Ullrichs Karriere ist eine Geschichte voller Triumphe, großer Hoffnungen und mindestens ebenso großer Enttäuschungen. Als er 1997 als erster Deutscher die Tour de France gewann, machte ihn dies auf einen Schlag zum Superstar, löste einen republikweiten Radsport-Boom aus und sorgte dafür, dass die Deutschen von da an Jahr für Jahr den Sommer vor dem Fernseher verbrachten, wo die Tour beste Unterhaltung bot. Zumal Jan Ullrich, damals 24 Jahre jung, auch im Ausland bereits als der logische Sieger für die nächsten Jahre gefeiert wurde.

Es war der erste in einer langen Reihe von Irrtümern. Ullrich gewann die Tour nie wieder, gestoppt von ständigen Problemen mit seinem Gewicht, seiner Form, von Verletzungen, von Marco Pantani (Italien/1998) und danach immer wieder von Lance Armstrong (USA).

Trotzdem: Niemand nahm ihm die ausbleibenden Erfolge übel. Im Gegenteil: Seine Kämpfe wurden jahrein, jahraus mit enormer Anteilnahme verfolgt. Selbst eine erste sechsmonatige Dopingsperre nach der Einnahme von Amphetamin-Pillen während der Reha nach einer Knie-Operation im Jahr 2002 wurde ihm verziehen. Gerade im Vergleich zur eiskalten „Sieg-Maschine“ Lance Armstrong aus den USA litt das Publikum mit Jan Ullrich, wenn dieser mal wieder menschliche Schwächen zeigte – bis am 30. Juni 2006.

Der Rücktritt in Hamburg

An jenem Tag wurde Jan Ullrich von seinem Team T-Mobile aus dem Aufgebot für die Tour de France, die 24 Stunden später in Straßburg begann, gestrichen. Seine Verwicklung in den Fuentes-Skandal war der Anfang vom Ende: T-Mobile kündigte seinen Vertrag. In der Öffentlichkeit galt er als Doping-Sünder, ein Profi-Radrennen bestritt Ullrich nie wieder. Im Februar 2007 gab er in Hamburg offiziell seinen Rücktritt bekannt und wiederholte bei dieser Gelegenheit seine Standard-Antwort auf alle Fragen zum Thema Doping: „Ich habe niemals jemanden betrogen.“

Für die Welt des Radsports mag dies sogar richtig sein, weil die Insider Doping dort für gang und gäbe halten. Die breite Öffentlichkeit aber fühlte sich von ihrem einstigen Liebling hintergangen. Andere Profi-Kollegen haben nach Doping-Geständnissen die Kurve gekriegt. Jan Ullrich hat eine umfassende Erklärung angekündigt...