Essen/Wattenschid. Der Diskus spielt im Leben von Daniel Jasinski eine wichtige Rolle. Der Tokio-Teilnehmer verrät, was die Auswahl mit einer Kegelbahn zu tun hat.

Daniel Jasinski hat gelernt, loszulassen. In seinem Beruf ist das unerlässlich. Er muss sich rechtzeitig trennen können. Nur so kommt er weit. Im wahrsten Sinne. Daniel Jasinski ist Diskuswerfer. Der Moment, in dem er die Scheibe loslässt, ist der entscheidende. „Da weiß man eigentlich schon, ob der Wurf was wird oder nicht“, sagt der 31-Jährige. Eine allzu innige Beziehung zu seinem Sportgerät kann er sich nicht leisten. Schließlich wirft er es regelmäßig weg. Im Idealfall: weit weg.

Olympia-Bronze in Rio gewonnen

Auch in Tokio wird der Athlet des TV Wattenscheid seinen Diskus wieder auf die Reise schicken. Für den 2,07-Meter-Riesen sind die Olympischen Spiele in Japan (ab 23. Juli) seine zweiten. Bei seinem Debüt in Rio de Janeiro 2016 überraschte er mit dem Gewinn der Bronzemedaille. Nur weil Christoph Harting sein Arbeitsgerät noch weiter warf und Gold gewann, strahlte sein Erfolg damals nicht ganz so hell. In diesem Jahr sind die Vorzeichen andere. Daniel Jasinski fährt als bester Deutscher nach Tokio. Harting ist nur Ersatzmann.

Kam in Stockholm nicht an seine Bestweite heran: Daniel Jasinski wurde beim hochklassigen Meeting Fünfter.
Kam in Stockholm nicht an seine Bestweite heran: Daniel Jasinski wurde beim hochklassigen Meeting Fünfter. © Getty | Maja Hitij

Aktuell sammelt Daniel Jasinski, der mit seiner Frau und den zwei Kindern in Bochum lebt, weitere Wettkampfpraxis. Am Dienstag warf er noch in Ungarn. Mit im Gepäck: sein Arbeitsgerät. „Wenn ich auf Wettkämpfen unterwegs bin, habe ich immer ein bis zwei Disken dabei“, sagt er. Zwar ist die Welt für ihn keine Scheibe, doch diese Scheibe ist ein wichtiger Teil seiner Welt.

Jansinski: "Bin kein abergläubischer Typ"

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Momentan begleiten ihn ein schwarzer und ein gelber Diskus. „Die sollen auch mit nach Tokio. Sie sind sich sehr ähnlich, sind aber unterschiedliche Modelle.“ Der eine, so beschreibt er, hat eine etwas glattere, der andere eine etwas rauere Kante. „Meistens werfe ich mich mit beiden ein und entscheide dann je nach Tagesform, mit welchem ich das bessere Gefühl habe. Das hängt oft von vielen Faktoren ab – zum Beispiel wie warm oder kalt die Hände oder auch die Disken sind. Das richtige Gefühl spielt eine wichtige Rolle.“

Er sei „kein abergläubischer Typ“, sagt Daniel Jasinski. Weder gebe er seinen Disken Namen, noch nehme er sie mit ins Bett. „Dennoch habe ich schon meine Lieblinge – die variieren aber von Saison zu Saison.“

Kosten zwischen 100 und 700 Euro

Vor jedem Wurf hat er zudem ein kleines Ritual. Er greift tief in den Topf mit dem Magnesia-Pulver, bis die Hände ganz weiß sind. Dann nimmt er den Diskus und wirft ihn drei- bis viermal in die Luft, damit sich das Pulver gut verteilt. „Das ist meine Routine. So kriege ich das perfekte Gefühl“, sagt er.

Das ist mein Sportgerät

Serie vor dem Start der Olympischen Spiele in Tokio (ab 23. Juli)

  • Teil 1: Daniel Jasinski - Diskuswerfer vom TV Wattenscheid

Die Zwei-Kilo-Scheibe, die laut internationaler Norm einen Durchmesser von 22 Zentimeter haben muss, besteht aus zwei Teilen. Aus einer Kunststoff- oder Karbonplatte in der Mitte sowie einem Außenring aus Metall. „Mir ist wichtig, dass dieser Außenring möglichst schwer ist, da ich so am besten die Rotation auf den Diskus bekomme und er auch schön stabil in der Luft liegt“, sagt Jasinski. Zwischen 300 und 700 Euro kostet ein Wettkampfdiskus, die Trainingsvariante liegt zwischen 100 und 150 Euro.

Auch ein Diskus ist nicht unkaputtbar

Ewig hält so ein Diskus freilich nicht. „Da gibt es manchmal Zufälle, die gibt es gar nicht“, erzählt Daniel Jasinski. Ihm sei schon der eine oder andere Diskus kaputt gegangen, „weil im Training ein weiterer genau auf ihm gelandet ist“. Kleinere Macken und Rillen geben dem Diskus zwar nicht nur Charakter, sondern vor allem mehr Grip als nigelnagelneue mit spiegelglatter Oberfläche. Aber: „Bei zu vielen Macken werden die Disken auch nicht mehr zum Wettkampf zugelassen.“

Dass man aber auch ohne seine Lieblinge weit kommen kann, hat Daniel Jasinski 2016 bewiesen. Sein mitgebrachter Diskus schaffte es nicht durch die olympische Gerätekontrolle. Hintergrund: Wie bei EM, WM und Olympia üblich hatte der Veranstalter einige Disken gestellt – darunter auch Jasinskis Modell. Ein weiterer Diskus der gleichen Sorte wurde nicht zugelassen.

Mit fremdem Diskus zur Medaille

Nun fand sich Daniel Jasinski in einer Situation wieder, die für Nicht-Diskuswerfer erstaunlich klingt. „Generell ist es so, dass jeder Teilnehmer mit jedem Diskus werfen kann, der für den Wettkampf zugelassen wird“, erklärt er. Dein und mein gibt es nicht. „Wenn man mit einem bestimmten Diskus werfen will, der aber gerade noch nicht da ist, dann ist das kein Problem – man wartet dann einfach, bis er zurückgebracht wird“, sagt Jasinski.

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„Es ist ein bisschen wie auf der Kegelbahn.“ Hat die Lieblingskugel zuvor ein anderer benutzt, wartet man, bis sie wieder da ist. „Meinen Bronze-Wurf habe ich dann mit dem Diskus eines indischen Kollegen gemacht“, erzählt Jasinski und lacht. Neid musste er nicht befürchten: Der Kollege war schon vor dem Finale ausgeschieden.

Daniel Jasinski ist nicht der Typ, der Disken wie Trophäen verwahrt – „dafür habe ich ja die Medaille“. Den Diskus aus Rio hätte er aber gerne weiterhin geworfen. Doch es war nicht seiner, er musste ihn abgeben. Daniel Jasinski hat gelernt, loszulassen.