New York. Tennis-Star Novak Djokovic verurteilt nach seiner Disqualifikation bei den US Open Anfeindungen in Sozialen Netzwerken gegen Linienrichterin.
Irgendwann in der Nacht vom Montag auf Dienstag hatte dann auch Novak Djokovic genug. Ob der disqualifizierte US-Open-Favorit nun selbst auf die Internet-Exzesse seiner „Fans“ aufmerksam wurde oder ob ihn einer seiner Berater darauf hinwies – jedenfalls sprang der 33-jährige Serbe der Frau zur Seite, die ganz und gar unschuldig die Nebenrolle in Djokovics Grand-Slam-Desaster spielte. Die US-Open-Linienrichterin, von Djokovics folgenschwerem Wutausbruch getroffen und betroffen, verdiene „unsere gemeinsame Unterstützung“, schrieb Djokovic auf der Plattform „Instagram“, „sie hat nichts Falsches gemacht.“
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Beträchtlicher Schaden in den wieder einmal unsozialen Medien war allerdings schon angerichtet, das Internet hatte in der Causa Djokovic nichts weniger als seine hässliche Fratze gezeigt. Denn in den Stunden nach Djokovics Ausschluss von den Grand-Slam-Spielen in New York hatte sich ein bizarrer, gefährlicher Wutausbruch über Linienrichterin Laura C. aus Owensboro (Kentucky) ausgetobt. Nachdem ihr Instagram-Konto offenbar von serbischen Medien enthüllt worden war, hagelte es wüste Beschimpfungen, Beleidigungen und Obszönitäten. Auch eine Morddrohung war darunter, sie werde bald ihrem 2008 bei einem Motorradunfall ums Leben gekommenen Sohn folgen, hieß es da. Auch als Alkoholabhängige wurde die erfahrene Linienrichterin gegeißelt, die seit vielen Jahren bei großen Tennisturnieren im Einsatz ist.
Verschwörungstheorien um Linienrichterin
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Was beinahe selbstverständlich nicht fehlen durfte, waren Verschwörungstheorien: Laura C. habe ganz im Sinne der abwesenden Djokovic-Rivalen Roger Federer und Rafael Nadal gehandelt, ihre Verletzung sei nur vorgetäuscht gewesen, sie sei nach ihrer Karriere auf den Centre Courts „reif für Hollywood“. Die Linienrichterin, schrieb „news.com.au“, sei offenbar zur „Staatsfeindin Nummer eins“ in Serbien geworden. C. hatte am Montag von ihren US-Open-Aufgaben pausiert und sich in einem New Yorker Hotel erholt, sie stehe, so erklärten die Grand Slam-Verantwortlichen, „unter Beobachtung der Turnierärzte“. Zugleich hieß es, sie wolle sobald wie möglich zurückkehren ins Grand-Slam-Geschehen.
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In einem Tweet wies Profispielerin Andrea Petkovic auf einen anderen Aspekt der Affäre hin: „Wenn Frauen Opfer sind, werden sie oft beschuldigt, es vorgetäuscht oder übertrieben zu haben. Eine Menge Frauenfeindlichkeit ist hier auch dabei.“
Auch rassistische Beleidigungen im Tennis
Die Anfeindungen gegenüber der amerikanischen Linienrichterin sind alles andere als ungewöhnlich für die Tennisbranche. Denn gerade in letzter Zeit verstärkte sich für viele Profis das anonyme Bedrohungsszenario aus der virtuellen Welt.
Oft stecken Sportwetten-Zocker hinter der Troll-Unkultur, Spieler werden von ihnen nach unerwarteten Niederlagen mit Verwünschungen überschüttet. Südafrikas ehemaliger Wimbledon-Finalist Kevin Anderson berichtete, er habe nach einer Erstrunden-Niederlage im All England Club einmal „Dutzende Morddrohungen“ erhalten. Der Australier Sam Groth berichtete, nicht nur er erhalte regelmäßig „Nettigkeiten wie die, mich umbringen zu wollen“, sondern auch seine Freundin oder der Rest der Familie. Dustin Brown, der deutsche Davis-Cup-Spieler, muss sich überdies regelmäßig mit rassistischen Kommentaren herumschlagen.
In Djokovics Heimat heizt der Boulevard die Stimmung auf
Kanadas einstige Tennishoffnung Rebecca Morino hängte ihre Karriere gar an den Nagel, weil sie mit dem Cyberterror „nicht mehr zurecht kam“. Im Sommer enthüllte das britische Unternehmen „SportRadar“, dass es allein bei zwei Schauturnieren in Deutschland und den USA zuletzt 70 einschlägige Nachrichten an Spieler gegeben habe. SportRadar stellte auch eine neue Technologie vor, mit der die Identität der Trolle enthüllt werden könne.
Im Fall Djokovic hatten allerdings Boulevardmedien in seinem Heimatland die Stimmung aufgeheizt und „Anhänger“ des Nummer-1-Spielers angestachelt. Djokovic sei „Opfer einer noch nie dagewesenen Ungerechtigkeit“ geworden, hieß es im „Blic“. Das Blatt „Informer“ titelte: „Djokovic brutal beraubt. Eine schreckliche Ungerechtigkeit.“ (fs)