Essen. Der DLV nominiert insgesamt 71 Athleten für die WM in Doha. Auch Diskus-Olympiasieger Christoph Harting ist nach Zwist mit dem Verband dabei.
Christoph Harting zu unterstellen, er würde auf andere herabschauen, ist zunächst unfair. Was soll er schon anderes machen? Der Diskus-Olympiasieger von 2016 ist 2,07 Meter groß. Die allermeisten Menschen sind nun einmal kleiner als er. Und doch ist es nicht nur seine körperliche Statur, die zuletzt einen Eindruck von oben herab vermittelte. Bei der deutschen Meisterschaft Anfang August in Berlin, bei der für ihn nach drei ungültigen Versuchen Feierabend war, hatte er fehlendes „Konkurrenzniveau“ beklagt. Wohlbemerkt: Er meinte nicht sich, sondern die, deren Würfe zählten. Auch den Deutschen Leichtathletik-Verband war er offensiv angegangen: Er hatte die Meisterschaft als „letzten Erpressungsversuch der deutschen Leichtathletik“ bezeichnet, es gebe „wenig Unbedeutenderes“ als den Meistertitel.
Harting hatte WM fast abgehakt
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So stand er nach seinen drei verpatzten Versuchen im Bauch des Berliner Olympiastadions, die dünne Hose, die sich um seine massigen Oberschenkel spannte, leicht zerrissen, und verkündete: „Das sind meine letzten Interviews vor Tokio.“
Olympia 2020 ist das Ziel des Berliners. Mit der WM, die am 27. September in Katars Hauptstadt Doha beginnt, schien er trotz Normerfüllung (66,01 Metern) abgeschlossen zu haben.
Nun das: Das Enfant terrible der deutschen Leichtathletik steht nach bisheriger Nicht-Berücksichtigung nun doch im endgültigen deutschen WM-Aufgebot. 71 Athleten schickt der DLV insgesamt in die Wüste.
Kuriosum bei den Speerwerfern
Harting soll sich in einem Gespräch mit DLV-Generaldirektor Idriss Gonschinska einsichtig gezeigt haben. Allerdings hat neben ihm und den bereits vorab nominierten Martin Wierig (66,04) und David Wrobel (65,86, beide Magdeburg) auch kein weiterer deutscher Werfer die Norm von 65 Metern geknackt. Der Wattenscheider Olympiadritte von 2016, Daniel Jasinski, brachte es nach einer von Verletzungen geprägten Zeit nur auf 63,80 Meter. So erhält Harting nun seine Chance. Immerhin: Nach ebenfalls drei ungültigen Versuchen beim Istaf in Berlin gelang ihm vor zehn Tagen in Brüssel eine messbare Weite: 64,03 Meter. Gegen die 70-Meter-Werfer wie den Schweden Daniel Stahl wird er damit in Doha aber wenig mit den Medaillenrängen zu tun haben. Doch bei diesem Harting weiß man nie, was man kriegt.
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Ganz anders stehen die Chancen für die deutschen Speerwerfer: Johannes Vetter (Offenburg), der als Titelverteidiger eine Wild Card erhält, und Andreas Hofmann (Mannheim) treten als die aktuelle Nummer zwei und drei der Welt an, mit Olympiasieger Thomas Röhler (Jena) ist immer zu rechnen.
Doch es gibt noch eine Besonderheit im Speer-Team. Der bereits nominierte Bernhard Seifert (Potsdam) verzichtet wegen anhaltender Formschwäche zu Gunsten seines derzeit besser aufgelegten Kollegen Julian Weber. Der Mainzer steht nun im aktuellen DLV-Aufgebot. „Diese Entscheidung von Bernhard Seifert respektiere ich mit großer Wertschätzung“, sagte Gonschinska. „Er bringt sich dabei mit bemerkenswertem Fairplay und Teamgeist im Sinne des Erfolges der DLV-Nationalmannschaft ein. Seine Entscheidung ist zudem ein Ausdruck der besonderen Atmosphäre im Speerwurfteam.“
Mihambo als Favoritin zur WM
Als größte deutsche WM-Hoffnung gilt nach wie vor Malaika Mihambo (LG Kurpfalz). Die Weitspringerin fährt als aktuelle Nummer eins der Welt nach Doha. Ebenfalls gute Medaillenchancen rechnen sich die Mehrkämpfer um Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) und Niklas Kaul (Mainz) sowie die WM-Zweite Carolin Schäfer (Frankfurt) aus. Rekordläuferin Konstanze Klosterhalfen (Leverkusen) steht sowohl für 5000 Meter als auch für 1500 Meter im DLV-Aufgebot. Für eine Besonderheit in der Mannschaft sorgt die ebenfalls für Bayer Leverkusen startende Katharina Bauer: Die Stabhochspringerin ist die erste Athletin, die bei einer WM mit Defibrillator antreten wird.
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„Wir werden in Doha ein gut vorbereitetes deutsches Team sehen“, sagte DLV-Cheftrainer Alexander Stolpe – wohlwissend, dass einige potenzielle Medaillenanwärter verletzungsbedingt verzichten. Darunter die EM-Zweite und WM-Dritte Pamela Dutkiewicz (Hürdensprint) vom TV Wattenscheid und der zweimalige Kugelstoß-Weltmeister David Storl (Leipzig). (mit dpa)