Köln. Der Rückraumspieler traf sechsmal für Deutschland beim 24:19 gegen Island. Auf ihn kommt es nun auch gegen Kroatien an.
Bisher konnten sie nur erahnen, wie es sich wohl anfühlen muss, wenn ein Handball mit über 100 km/h auf sie zugeschossen kommt. Seit Samstagabend aber hat eine Handvoll Zuschauer Gewissheit. 55 Minuten des ersten Hauptrundenspiels des deutschen Teams waren gespielt, der spätere 24:19-Sieg war schon so gut wie festgezurrt, da zog Steffen Fäth zum Tor und warf den Ball. Obwohl: Er warf ihn nicht, er hämmerte ihn regelrecht Richtung Tor, so blitzschnell und hart, dass man erst Augenblicke später realisierte, dass die Kugel weit übers die Latte geflogen war und nur das Sicherheitsnetz verhinderte, dass die Zuschauer dahinter getroffen wurden. Dennoch: Auf ihren Plätzen zuckten sie zusammen, die Augen weit geöffnet, um dann erleichtert mit den Fingern aufs Netz zu deuten.
Hart zu werfen, das ist Fäths Job. Er ist der Mann im linken Rückraum, zuständig für die Treffer aus der Distanz. Sechsmal gelang ihm dies gegen Island, so bescherte er seinem Team den ersten wichtigen Erfolg in der Hauptrunde, dem am Montag gegen Kroatien (20.30 Uhr/ZDF) und am Mittwoch gegen Spanien (20.30 Uhr/ARD) mindestens ein weiterer auf dem Weg ins Halbfinale folgen soll. Da die Kroaten am Sonntag gegen Brasilien mit 26:29 unterlagen, wäre das deutsche Team am Montag mit einem Sieg schon vorzeitig im Halbfinale.
DHB-Vizepräsident Hanning adelt Väth
19.250 Zuschauer hatten das deutsche Team nach dem Erfolg gegen Island minutenlang gefeiert, knapp acht Millionen sahen an den Fernsehbildschirmen zu. Sie sahen eine Partie, in der die Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop einen guten Start hinlegte, dann aber durch eine Schwächephase mit Fehlwürfen und Anspielfehlern zurückfiel, bevor sie dann durch eine solide Abwehrleistung zu leichten Toren kam. Von 9:9 (22. Minute) setzte sich das deutsche Team auf 13:9 (27.) ab - die Vorentscheidung. “Das war schon die beste Stimmung, die ich in meiner Karriere erlebt habe”, sagte Fäth. Tage zuvor hatte ihn Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes, als einen “der besten linken Rückraumspieler der Welt” geadelt. Eine Rolle, die bei der WM eigentlich Stammspieler Julius Kühn versprochen war, doch der verletzte sich in einem Vorbereitungsspiel Ende Oktober. Hanning: “Seine Tore aus zehn Metern fehlen uns jetzt. Umso wichtiger ist, dass Steffen Fäth nun hilft.”
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Mit Kühn im Kader hätte Fäth wohl vermehrt auf der Bank gesessen. War er beim EM-Triumph 2016 noch eine Stütze der Nationalmannschaft, hatte sich sein letztjähriger Wechsel in der Bundesliga aus Berlin zu den Rhein-Neckar Löwen als Karriere-Bremse erwiesen. Formtief, im Dezember kam Fäth in den wichtigen Spielen nicht zum Einsatz. Prokop aber baute weiter auf den 28-Jährigen. Schnell können da Parallelen gezogen werden, gerade an diesem für den deutschen Handball geradezu historischen Spielort. Zum Jahr 2007, als Torhüter Henning Fritz unter ähnlichen Bedingungen ins Turnier ging. Der Rest ist Geschichte.
Für Bundestrainer Prokop zählt die Teamleistung
Ohnehin sprach der Bundestrainer auch am Tag danach nicht lange über seinen besten Torschützen des Island-Spiels, sondern lieber über die Ausgeglichenheit seines Teams. Dass Fabian Wiede für den angeschlagenen Steffen Weinhold im rechten Rückraum einsprang, dass Paul Drux sich vermehrt als Spielmacher betätigte und dass Finn Lemke erneut eine größere Rolle in der Abwehr einnahm. Das Ergebnis: Bisher setzte es 129 Gegentore, im Schnitt sind das mit 21,5 pro Spiel die wenigsten nach Olympiasieger Dänemark (125). “Das Ziel Medaille wird nicht alleine durch Steffen Fäth, Paul Drux oder Patrick Wiencek erreicht, sondern über die Leistung der gesamten Mannschaft. Das ist unsere Stärke, dass Spieler füreinander einspringen”, sagte Prokop.
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Das müssen sie auch, um das Tempo der vergangenen Tage durchzuhalten. Rechtsaußen Patrick Groetzki hat mit Abstand die meisten Minuten in den Knochen, nur gegen Serbien waren ihm kurze Erholungsphasen vergönnt. Rückraumspieler Weinhold wurde nach seiner Zerrung im Adduktorenbereich weiter geschont. Statt ihn strich Prokop vor dem Island-Spiel den 21-jährigen Franz Semper aus dem Kader und ersetzte ihn durch Kai Häfner. Der 29-Jährige vom Bundesligisten von der TSV Hannover-Burgdorf fand sich gut ein und erzielte zwei Tore. Während des Turniers kann Prokop jetzt noch zweimal wechseln. Was das Thema Überlastung angeht, bleibt der Bundestrainer aber gelassen: “Die Spieler werden gut versorgt.” Und der Druck, heute erneut vor über 19.000 Zuschauern bestehen zu müssen? “Wir haben uns dieses Spiel verdient, da verspüren wir keinen Druck. Ich möchte heute nicht in der haut der Kroaten stecken.”