Herning. Eishockey: Kapitän Dennis Seidenberg hofft mit 36 auf einen neuen NHL-Vertrag. Im Interview spricht er auch über die Eishockey-WM.
Mit dem Eishockey ist Dennis Seidenberg ganz eng verwachsen. Nach dem Triumph in der National Hockey League (NHL) mit den Boston Bruins 2011 ließ der gebürtige Schwenninger seine damals gerade geborenen Töchter Noah Grace und Story Linn mit Weihwasser aus dem silbernen, 15 Kilogramm schweren Stanley Cup taufen. Sieben Jahre später neigt sich die Karriere des einstigen Schwenninger Verteidigers, der bei der WM in Herning für Deutschland seine fünfte Weltmeisterschaft spielt, mit im Juli immerhin 37 Lenzen dem Ende zu. Oder doch noch nicht?
Herr Seidenberg, 928 NHL-Spiele haben Sie bestritten, schaffen sie noch die 1000 wie Bundestrainer Marco Sturm?
Dennis Seidenberg: Fit genug für eine weitere Saison fühle ich mich. Mein Vertrag bei den New York Islanders ist allerdings ausgelaufen, wir werden nach der WM aber drüber reden, ob und wie es weitergehen kann. Vielleicht ist ja noch eine Saison drin oder auch zwei. Im Moment ist für mich alles offen.
Könnte das letzte Gruppenspiel gegen Kanada am Dienstag (16.15 Uhr/Sport1) der 69. und damit auch letzte Auftritt für Sie im Trikot der Nationalmannschaft sein?
Dennis Seidenberg: Das hängt sicher davon ab, ob ich noch einmal einen Vertrag im Profibereich bekommen kann. Dazu fühle mich fit genug, im Mai zum Saisonschluss für die Nationalmannschaft noch eine WM zu spielen. Wenn ich an Urlaub gedacht hätte, wäre ich nicht mit nach Herning gefahren. Entspannen kann ich nach der WM noch genug, der Sommer ist schließlich lang.
Was passiert, wenn es mit einem vermutlich letzten NHL-Vertrag nicht mehr klappt?
Dennis Seidenberg: Dann geht es für mich mit dem richtigen Leben los. (lacht) Ok, Deutschland wäre sicher auch noch eine Option, um eine Saison professionell Eishockey zu spielen. Beim EHC München ist ja mein Bruder Yannic im Aufgebot. Es wäre ein Reiz, mit ihm zusammen zu spielen.
Was würde die Familie zu einem Umzug nach Bayern sagen?
Dennis Seidenberg: Das müsste ich mit meiner amerikanischen Frau Rebecca und meinen drei Kindern ganz sicher bereden, ob wir von New York aus nach Deutschland gehen wollen für eine Spielzeit oder auch zwei. Wir sind in den Staaten verwurzelt und würden sicher nicht ohne sportlichen Grund in die Heimat zurückkehren, beispielsweise nach Schwenningen.
Sind Sie als Routinier mittlerweile entspannter, wenn es um das künftige Arbeitspapier geht?
Dennis Seidenberg: Auf jeden Fall. Als junger Spieler denkt man auch immer an das finanzielle. Ich muss mir keine Sorgen diesbezüglich mehr machen. Ich habe in meiner Zeit in der National Hockey League genug verdient und würde nur noch aus Spaß weitermachen. In meiner Karriere hat am Ende alles gut geklappt, auch wenn der Weg mit sechs Teams in dieser Zeit durchaus kurvig war.
Die Spieler der NHL werden immer schneller, wendiger, jünger. Das erkennt man unter anderem am Vertrag für Nationalspieler Dominik Kahun bei den Chicago Blackhawks. Können Sie da als Routinier noch mithalten?
Dennis Seidenberg: Das denke ich schon. Ich bin fit, gesund und bringe meine große Erfahrung ein. Die Entwicklung ist für ältere Spieler sicher eine Herausforderung. Aber die will ich gern annehmen. Mit meinem Spielverständnis auf dem Eis kann ich eine Menge wettmachen, das mache ich ja bereits.
Sie haben in Ihrer Karriere, gerade am Anfang, viele Stationswechsel in Kauf genommen. Ist man dieser Dinge - Umzug, neue Stadt, neue Mannschaft, wieder kein Freundeskreis in der Nähe - nicht irgendwann überdrüssig?
Dennis Seidenberg: Es ist sicher speziell und man braucht gute Nerven. Aktuell würde ich natürlich gern bei den Islanders bleiben und ein weiteres Jahr auf Long Island sein. Den Strand und schönes Wetter im Frühjahr, Sommer und Herbst inklusive. Es liegt mir fern, mich über die Regularien und Beschränkungen in der NHL, die es nun einmal gibt, zu beschweren. Hätte ich ein stabiles Leben und strikter geregelte Verträge haben wollen, hätte ich in Europa bleiben müssen.
Wo war es am schönsten?
Dennis Seidenberg: Als NHL-Finalsieger in Boston, besser geht es nicht. Boston ist eine der großen Sportstädten in den USA. Phoenix in Arizona war allein wegen des fast immer schönen Wetters fast wie im Paradies, Fort Lauderdale in Florida natürlich auch. Raleigh in Carolina war als kleinere Stadt schön. Sehr nette Leute und ein preiswerter Lebensstil sind auch viel wert. Die beste Zeit hatte ich aber in Boston. Die werde ich sicher nie vergessen. Egal, was in meiner Karriere jetzt noch passieren mag.