Moskau/Luxemburg. Während Angelique Kerber in der Tennis-Weltrangliste aus den Top 20 fällt, drängt die 2. Reihe mit Julia Görges und Carina Witthöft nach vorn.

Es war am 24. April 2011, als Julia Görges dem neuen deutschen Frauentennis den ersten großen Triumph bescherte. Es war der Tag, an dem Görges die damalige Weltranglisten-Erste Caroline Wozniacki in der Stuttgarter Porsche-Arena sensationell im Finale besiegte. Die Tenniswelt schien Görges weit offen zu stehen.

Was dann in den nächsten Jahren im deutschen Frauentennis passierte, hätte niemand an jenem Abend in Stuttgart vorhersagen können. Görges (28) und Andrea Petkovic (29), einst die nationalen Marktführerinnen, schafften nie den Sprung in die engere Weltspitze. Und dann überholte diese beiden plötzlich eine, die vor lauter Unzufriedenheit fast schon ihren Sport aufgegeben hätte: Angelique Kerber, die unscheinbare Kielerin.

2016 erlebte sie ein Märchenjahr, mit zwei Grand-Slam-Siegen und dem Sprung auf Platz eins. Es war ein Szenario, mit dem man an jenem 24. April 2011, dem Tag von Görges’ Sieg, ein kleines Wettvermögen hätte gewinnen können.

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Man muss diese seltsame Vorgeschichte kennen, um die neuen Kapriolen zu verstehen. Denn jetzt ist auf einmal Julia Görges wieder die deutsche Nummer eins. Als stolze Siegerin des Turniers von Moskau (6:1, 6:2 gegen Daria Kassatkina) hat sie 147 500 US-Dollar kassiert und die kriselnde Kerber überholt – 284 Wochen nachdem diese die nationale Führungsposition eingenommen hatte. Görges rückt wieder in die Top 20 vor. Und Kerber stürzt heraus – ein letzter Tiefpunkt einer Spielserie 2017, die mit Enttäuschungen gepflastert war.

Witthöft schlägt Olympiasiegerin Puig

Nun rücken also andere deutsche Spielerinnen ins Rampenlicht. Nicht nur Görges, sondern auch die 22-jährige Hamburgerin Carina Witthöft, die in Luxemburg den ersten Titel ihrer Karriere gewann – gegen Olympiasiegerin Monica Puig aus Puerto Rico beendete sie eine souveräne Turnierwoche mit einem 6:3, 7:5-Triumph.

„Dieser Sieg fühlt sich absolut großartig an. Ich habe hart gearbeitet und nie aufgegeben“, sagte die sichtlich gerührte Görges in Moskau. Vor zwei Jahren hatte sie ihren Lebensmittelpunkt ins bayerische Regensburg verlegt und sich mit ihrem Freund, dem Physiotherapeuten Florian Zitzelsberger, und Trainer Michael Geserer ein neues Team aufgebaut. Görges zeichnete in dieser Saison mehr denn je eine große Beharrlichkeit aus. „Sie ist immer dran geblieben. Wahnsinn, was sie da hingelegt hat“, sagte Damentennis-Chefin Barbara Rittner. Görges gehört auch zu den weltbesten Doppelspielerinnen.

Carina Witthöft, mit 22 so alt wie Görges damals beim Stuttgarter Titelcoup, hat sich in ihren ersten Tourjahren schon durch viele Enttäuschungen und Verletzungen kämpfen müssen. Oft wurde sie als belangloses Tennissternchen verspottet, weil sie sich gern mal in den sozialen Medien präsentierte.

Aber Witthöft ist, abseits dieser Facebook- und Instagram-Welt, eine zähe und methodische Arbeiterin. Sie kann durchaus in den kommenden Jahren noch deutlich in der Weltrangliste aufrücken. Vor allem, wenn sie mehr Konstanz in ihr riskantes Spiel bringt. Aber was tatsächlich kommt im Wanderzirkus, weiß man nie. Siehe Görges, siehe Kerber.