New York. Bitteres Erstrunden-Aus bei den US Open für Angelique Kerber: Jetzt wird die deutsche Titelverteidigerin aus den Top Ten der Welt fallen.

In den vergangenen Tagen hatte es so ausgesehen, als könne Angelique Kerber die Dinge beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres vielleicht zum Guten wenden. Sie wirkte ein wenig entspannter als so oft zuvor; es sah so aus, als habe das in vielen Wochen und Monaten so schwer auf ihren Schultern lastende Gefühl, die großen Erfolge des Jahres 2016 bestätigen zu müssen, an Gewicht verloren.

Um neue Impulse zu setzen, hatte sie für die Zeit der US Open ihren ehemaligen Trainer Benjamin Ebrahimzadeh zurückgeholt, aber dem blieb am Ende nichts weiter übrig, als mit Kerbers erstem Trainer Torben Beltz gemeinsam zuzusehen, wie die deutsche Titelverteidigerin am Ende immer schneller und direkter in eine Niederlage gegen die amerikanische Japanerin Naomi Osaka rauschte (3:6, 1:6).

Vor zwölf Monaten war Angelique Kerber mit ihren Siegen im Arthur-Ashe-Stadion auf Platz eins der Weltrangliste gelandet und hatte in ihrem dritten Grand-Slam-Finale des Jahres den zweiten Titel gewonnen. Überragend, unerwartet und ziemlich überwältigend. Mit der Niederlage gegen Osaka verschwand sie nun an gleicher Stelle bis auf weiteres aus den Top Ten des Frauentennis’; in der virtuellen Weltrangliste des Augenblicks steht sie auf Platz zwölf, es kann sein, dass sie bis zum Ende des Turnier noch weiter zurückfallen wird.

Dopingsünderin Scharapowa bricht nach Sieg in Tränen aus

Es war alles eigentlich zu viel für die erste Runde, für die erste Nacht in New York. Es war, als hätte ein unsichtbares Drehbuch das ganze Drama eines rauschenden Finales gleich für den Beginn ausgebreitet, mit dieser spektakulären Abendshow mit der Weltranglisten-Zweiten Simona Halep (25) und der früheren Tennis-Königin Maria Scharapowa (30).

Und sie, die gefallene, tief gestürzte Heldin vergangener Zeiten, jene umstrittene, wegen eines Dopingvergehens bis in den April hinein gesperrte Scharapowa war es schließlich, die unter den Flutlichtstrahlern im mächtigsten Tennisstadion der Welt zum Auftakt nicht einfach nur ein großartiges Spiel gewann, sondern ihrer Karriere vielleicht noch einmal einen entscheidenden Auftriebs-Impuls lieferte.

Ganz gleich, wer am Ende den Pokal gewinnt, der Siegesmoment Scharapowas, das Bild der knieenden, weinenden Russin, wird mindestens genau so prägend in Erinnerung bleiben. Und vermutlich auch der wie in Stein gemeißelte Satz, den sie mit angemessenem Pathos nach dem fast dreistündigen 6:4, 4:6, 6:3-Erfolg gegen Halep sprach: „Hinter dem Mädchen in diesem schwarzen Kleid, mit den funkelnden Kristallen, steckt jemand mit einer Menge Mumm – und dieses Mädchen verschwindet nicht einfach irgendwo hin.“

Seit Scharapowa im April ihre Dopingbuße abgesessen hatte, war nur wenig für sie zusammengelaufen. Für die French Open erhielt die Russin keine Wild Card, für Wimbledon musste sie sich verletzt abmelden. Die Wild Card für New York schien wenig zu nutzen, als ihr für die Auftaktrunde die wuselige Kämpferin Halep zugelost wurde, die Nummer zwei der Setzliste. Das Unglaubliche: Maria Scharapowa spielte mit jener Intensität, Aggression und Beweglichkeit wie in früheren Glanzzeiten. „Ich weiß, dass ich diese Nacht genießen muss“, sagte die Russin hinterher, „und ich werde sie genießen. Aber meine Reise ist noch nicht zu Ende.“ (ja)

Die US Open stehen nun schon nach Runde eins ohne die Titelverteidigerin und ohne eine der aussichtsreichsten Kandidatinnen da nach Simona Haleps Niederlage gegen Maria Scharapowa.

Es ist kein Geheimnis, wie gut die 19 Jahre alte Naomi Osaka spielen kann, deren Vater aus Haiti stammt und die Mutter aus Japan. Osaka spielt flach und schnell, liebt das Risiko, aber bisher fehlte ihr die Konstanz, um in der Weltrangliste weiter vorn als auf Platz 45 zu stehen. Aber an diesem Nachmittag unter dem geschlossenen Dach des größten Tennisstadions der Welt wich sie keinen Millimeter vom Weg ab und merkte bald, wie unsicher die Titelverteidigerin auf der anderen Seite des Netzes war.

Regen: Andere Spiele abgesagt

Während alle Partien auf den kleineren Plätzen ohne Dach wegen Regens auf den Mittwoch verschoben wurden, ließ Angelique Kerber auf dem Center Court die Schultern hängen. Von der feurigen Entschlossenheit, mit der sie das Publikum im vergangenen Jahr erobert und überzeugt hatte, war wenig zu sehen. Der Geräuschpegel unter dem Dach verschluckte fast die Töne des Spiels, und ein wenig verwirrt sahen rund 15 000 Zuschauer zu, wie der Unterschied zwischen Kerber und Osaka immer größer wurde. Am Ende ging es viel zu schnell.

Mit dem ersten Matchball rannte Naomi Osaka mit wehender Mähne ins Ziel, Kerber verschwand schnell und still. Es habe bestimmt nicht am fehlenden Willen gelegen, meinte sie hinterher sichtlich deprimiert, sie habe aber nie das richtige Gefühl für das Spiel gehabt. „Manchmal geht es halt nicht. Ich bin immer noch dieselbe Spielerin und immer noch dieselbe Person. Ich weiß, dass ich stärker zurückkommen werde, ich werde jetzt ganz bestimmt nicht aufgeben.“

Sie wird in den nächsten Tagen aus größerer Entfernung sicher nur vage wahrnehmen, wie das Turnier weitergeht. Wer den Titel gewinnen und an der Spitze der Weltrangliste landen wird. Das ist im Moment nicht mehr ihr Thema, nachdem sie bei den Grand-Slam-Turnieren in Melbourne und Wimbledon im Achtelfinale verlor, in Paris und in New York in Runde eins. Das Jahr ist noch nicht zu Ende, es bietet noch die Chance, alles genau zu hinterfragen.