New York. . Titelverteidigerin Angelique Kerber hat bei den US Open einen Grand-Slam-Tiefpunkt erlebt. US-Legende Chris Evert übt Kritik an der Kielerin.

Als Angelique Kerber Ende Oktober 2016 in Singapur das Weltmeisterschaftsfinale gegen die Slowakin Dominika Cibulkowa verlor, hätte sie sich drei, vier Wochen in die Ferien verabschieden können. Das beste Jahr einer deutschen Tennisspielerin nach den goldenen Zeiten von Steffi Graf lag hinter der tüchtigen Kielerin, es wäre der richtige Zeitpunkt für Sonne, Strand und süßes Nichtstun gewesen. Doch Kerber gönnte sich rastlos nicht mal zwei Wochen Urlaub.

Brown, Stebe, Kohlschreiber weiter - Petkovic, Lisicki raus

Nach Titelverteidigerin Angelique Kerber und Andrea Petkovic ist auch die frühere Wimbledon-Siegerin Sabine Lisicki bei den US Open in New York schon in der ersten Runde ausgeschieden. Die Berlinerin unterlag am Mittwoch (Ortszeit) der Chinesin Shuai Zhang 7:6 (7:4), 3:6, 0:6. Damit haben es von den deutschen Tennis-Damen nur Julia Görges und Tatjana Maria in die zweite Runde des abschließenden Grand-Slam-Turniers der Saison geschafft.

Tennisprofi Cedrik-Marcel Stebe steht erstmals seit fünf Jahren in der zweiten Runde eines Grand-Slam-Turniers. Der 26-Jährige aus Vaihingen kam am Mittwoch bei den US Open in New York mit einem 5:7, 6:3, 6:1, 6:1 gegen Nicolas Kicker aus Argentinien weiter. Publikumsliebling Dustin Brown ist ebenfalls in die zweite Runde eingezogen. Der 32 Jahre alte Tennis-Profi aus Winsen an der Aller gewann am Mittwoch in New York gegen den Brasilianer Thomaz Bellucci 6:4, 6:3, 6:2.

Andrea Petkovic verabschiedet sich frustriert von den US Open. Ihre erröteten Augen sprachen nach dem 4:6, 6:3, 1:6 gegen die Amerikanerin Jennifer Brady Bände. Philipp Kohlschreiber darf sich glänzende Aussichten auf die dritte Runde ausrechnen. Der Davis-Cup-Profi löste seine Erstrunden-Pflichtaufgabe am Mittwoch mit dem 6:1, 6:4, 6:4 gegen den amerikanischen Qualifikanten Tim Smyczek souverän. (dpa)

Zu knapp sei die Phase des Ausspannens gewesen, gab Kerber nun auch selbst zu, „aber nachher ist man immer schlauer.“ Jedenfalls fehlte es an allem bei Kerber, in New York und überhaupt in dieser Saison: An der körperlichen und geistigen Frische, an Selbstbewusstsein, an jener Qualität auch, in den entscheidenden Matches mit der Größe der Herausforderung wachsen zu können.

Bittere Minuten in New York

Und auch die letzte Chance, dieser verkorksten, verdrucksten, verfluchten Serie im Wanderzirkus bei den US Open noch einen verblüffenden Dreh zu geben, verpasste sie dann mit aller nur denkbaren Wucht. Was Kerber beim 3:6, 1:6-Auftaktdesaster gegen die 19-jährige Zukunftshoffnung Naomi Osaka in Runde eins im Arthur-Ashe-Stadion bot, war über 64 bittere Minuten das passgenaue Spiegelbild eines ganzen Jahres, ein grauer Grand-Slam-Tiefpunkt an einem trostlos-verregneten Dienstag.

Zurückgestoßen wirkte die Tenniskönigin des Vorjahres wieder in jene Zeiten ihrer Karriere, in denen sie selbst oft die größten Zweifel an sich herumschleppte. Und in wichtigen Momenten eher das Mögliche unmöglich machte.

Ohne die felsenfeste Sicherheit, mit starker Physis und Fitness im Wanderzirkus umhertouren zu können, ist Kerber nicht konkurrenzfähig im Machtspiel an der absoluten Tennisspitze. „Die Wahrheit ist ganz banal: Wenn sie immer einen halben Schritt zu spät zu den Bällen kommt, kann sie ihre Stärken nicht mehr ausspielen“, sagte am Dienstagabend die US-Legende Chris Evert. „Im letzten Jahr war sie die Drahtigste, die Schnellste, die Eiserne Lady. Sie wirkte immer wie ein Fels in der Brandung.“

„So einen Tag schnell streichen“

Und nun Kerbers krachende Niederlage als Titelverteidigerin in New York, die Niederlage auch für das neu aufgestellte Trainerteam mit Benjamin Ebrahimzadeh als Impulsgeber neben Torben Beltz.

„So einen Tag will man ganz schnell aus dem Gedächtnis streichen“, sagte Kerber. Den Tag. Und das ganze Jahr.