Paris. . Tennis-Star Novak Djokovic scheitert im Viertelfinale von Paris. Nun denkt er über eine Spielpause bis Wimbledon nach.
Vor einem Jahr stand Novak Djokovic mit dem Pokal im Arm als gefeierter Sieger auf dem Court Philippe Chartier, und die ganze Welt schien ihm zu Füßen zu liegen. Er hatte gerade den letzten der vier Grand-Slam-Titel gewonnen, in der Weltrangliste führte er mit riesigem Vorsprung, und an diesem Tag vor einem Jahr schien es keine Aufgabe zu geben, die er nicht grandios lösen würde. Damals habe er das Gefühl kompletter Erfüllung gehabt, sagte er am Mittwoch nach seiner überaus deutlichen Niederlage im Viertelfinale gegen den Österreicher Dominic Thiem (6:7, 3:6, 0:6), ein paar Wochen sei er danach auf einer Welle unterwegs gewesen. Doch das alles spielt im Moment keine Rolle mehr. Nicht die Niederlage an sich gegen Thiem ist das Problem, sondern die Art, wie das Spiel zu Ende ging.
Hoffnung in Zusammenarbeit mit Agassi
Die Ergebnisse der vergangenen Wochen hatten glauben machen, Djokovic habe das schlimmste Durcheinander nach Monaten voller Rückschläge hinter sich. Beim klaren Sieg gegen Thiem im Halbfinale des Turniers von Rom dominierte er annähernd wieder so wie in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres. Doch schon dieser Eindruck hielt keine 24 Stunden; im Finale war Alexander Zverev klar der bessere Mann. Nach diesem Spiel bestätigte der Serbe die Gerüchte, er habe Andre Agassi als neuen Coach verpflichtet, und die erste Woche in Paris stand ganz im Zeichen der Zusammenarbeit mit dem charismatischen Amerikaner. In blumigen Worten schwärmte Djokovic davon, wie es bei der ersten persönlichen Begegnung sofort klick gemacht habe und wie viel Hoffnung er in diese Zusammenarbeit setzte.
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Agassi, das hatte schon vorher festgestanden, blieb nur bis zum Ende der ersten Woche in Paris; er hatte lange vorher einen Urlaub mit der Familie geplant.
Auf schmerzhafte Weise hilflos
Beim Spiel der vierten Runde, das Djokovic nach einem umkämpften ersten Satz am Ende klar gegen den Spanier Alberto Ramos-Vinolas gewann, war Agassi schon nicht mehr dabei; die neuen Partner wollen sich in Wimbledon wiedersehen. Auch die Partie gegen Dominic Thiem begann mit einem harten ersten Satz; lange Ballwechsel, zähes Ringen um jeden Punkt. Djokovic machte sich keine Illusionen, dass die Sache so aussehen würde wie beim klaren Sieg gegen Thiem in Rom; er wusste, dass der Österreicher damals nach einem Erfolg gegen Rafael Nadal am Tag zuvor müde gewesen war. Thiem versuchte, vor dem Viertelfinale in Paris an einem sonnigen Tag mit kühlem Wind nicht daran zu denken, wie seine Bilanz gegen Djokovic aussah - es stand 0:5, und er hatte in diesen fünf Spielen einen einzigen Satz gewonnen.
Er gab hinterher selbst zu, den ersten Satz, der über 70 Minuten dauerte, hätte er leicht verlieren können. Doch er tat es nicht, und von dem Moment verlor Djokovic von Minute zu Minute mehr seinen Zugriff. Im zweiten Satz hielt er noch einigermaßen mit, im dritten wirkte er auf fast schmerzhafte Weise hilflos. Jeder Fehler führte zu einem weiteren Fehler, das Publikum versuchte ihn aufzumuntern, und wenn das Publikum einen Titelverteidiger aufmuntern muss, dann sagt das viel über dessen Verfassung. Novak Djokovic verlor den dritten Satz 0:6, und er wirkte dabei so ratlos und verletzlich, dass man sich fragen muss, wie die Sache nun weitergehen wird.
Angeschlagen geht die Reise weiter
Er selbst sagt, als Athlet müsse man solche Tage akzeptieren. Alle Topspieler hätten schlechte Phasen erlebt, es bleibe einem nichts anderes übrig, als seine Lektion zu lernen. „Du musst einen Weg finden, wie du stärker wieder rauskommst; das ist eine Herausforderung, aber ich bereit.“ Er sagte ein paar sehr vernünftige Sätze, aber er wirkte auch äußerst nachdenklich und ließ manches offen. In der Weltrangliste wird er nach dem Ende der French Open zum ersten Mal seit sechs Jahren nicht auf einem der ersten beiden Plätze stehen; Rafael Nadal wird ihn sicher überholen, unter Umständen auch Stan Wawrinka. Aber der Rangliste gilt Novak Djokovics geringste Sorge im Moment. Er ist auf der Suche nach dem Gefühl, auf dem Platz wieder er selbst zu sein. Er ließ offen, ob er vor Wimbledon in den kommenden drei Wochen noch bei einem anderen Turnier auf Rasen spielen wird, aber er legt Wert auf die Feststellung, die Lösung werde er selbst finden müssen, nicht Andre Agassi.
Sichtlich angeschlagen packte er die Sachen, für den Sieger geht die Reise weiter. Und gegen wen wird der eindrucksvoll spielende Dominic Thiem nach dem ersten Sieg seiner Karriere gegen Novak Djokovic nun am Freitag im Halbfinale spielen? Na klar, Rafael Nadal, den großen Favoriten. Wenn er den auch noch knackt, sollten sie auf der Streif in Kitzbühel einen Sprung nach ihm benennen.