Düsseldorf. . 1989 wurde Jörg Roßkopf Tischtennis-Weltmeister. Heute ist er Bundestrainer. Bei der WM Ende Mai in Düsseldorf setzt er auf Timo Boll – seinen besten Mann.

Im Deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf ist Timo Boll allgegenwärtig. Bilder von seinen Olympia-Erfolgen hängen hoch oben an den Wänden. Um den größten Sieg von Jörg Roßkopf zu finden, muss man genauer hinschauen. Versteckt in einer Ecke liegen in einer Vitrine Medaillen und Fotos aus dem Jahre 1989. Damals holte Roßkopf an der Seite von Steffen Fetzner in Dortmund überraschend WM-Gold im Doppel. Die Mitgliederzahlen in Vereinen schossen in die Höhe. Das Europapokal-Finale wurde live im Fernsehen übertragen. Es war die Geburtsstunde eines deutschen Tischtennis-Booms.

Als „ein Kind dieses Booms“ sieht sich Timo Boll. Der 36-Jährige ist Deutschlands bekanntester Tischtennis-Profi. Er war Weltranglisten-Erster, ist Rekord-Europameister. „Als Junge war ich großer Roßkopf-Fan“, sagt er. Am Montag war Roßkopf bei einer Versammlung des Verbandes Westdeutscher Sportjournalisten im Tischtennis-Zentrum zu Gast, bei einer anschließenden Pressekonferenz kam Boll hinzu. Heute ist der Weltmeister von damals Bundestrainer, und der Fan ist sein Top-Spieler.

Drei Generationen auf dem Podium

Ebenfalls dabei: Hans Wilhelm Gäb. Der 81-Jährige ist der Mann im Hintergrund. Bei der WM 1959 in Dortmund war er noch selbst Nationalspieler, bei der WM 1989 am selben Ort machte er sich als Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes verdient. Er führte den roten Boden ein. „Das war ein Marketing-Konzept“, erklärt er. So war für den TV-Zuschauer der weiße Ball besser zu sehen. Noch heute berät der frühere Sportjournalist und ehemalige Opel-Aufsichtsratsvorsitzende Gäb Timo Boll.

Gäb, Roßkopf, Boll: Diese Männer stehen für drei Generationen Tischtennis in Deutschland. Nun wollen sie die Heim-Weltmeisterschaft in Düsseldorf (29. Mai bis 5. Juni) zu einem Erfolg machen – jeder in einer anderen Rolle.

Jörg Roßkopf hat die Aufgabe, sein Herren-Team zu finden und es richtig einzustellen. „Er wird auch Schleifer genannt“, sagt Boll scherzend. Neben ihm sind die weiteren Bronzemedaillen-Gewinner von Rio, Dimitrij Ovtcharov, Bastian Steger und Patrick Franziska, gesetzt. Zwei Plätze sind noch zu vergeben. Auch wenn erneut China der Favorit in allen Wettbewerben ist, bleibt Roßkopf optimistisch: „Alle Spieler sind heiß – und wir haben den Heimvorteil.“ Boll, der im Doppel mit Chinas Weltmeister Ma Long antritt, werden Medaillen-Chancen eingeräumt. „Warum auch nicht? Ich kann immer noch den einen oder anderen ärgern.“

8000 Zuschauer passen in die Messehalle Düsseldorf, sie soll zum Hexenkessel werden, weil das Publikum nah am Geschehen sein wird. Im Idealfall wird die WM zum Erlebnis und löst einen neuen Boom aus. Roßkopf aber ist skeptisch, er glaubt nicht, dass es eine ähnliche Welle geben könnte, die er und sein Partner Fetzner 1989 lostraten: „Damals wurden zwei unbekannte Jungs Weltmeister.“ Das Problem habe auch mit der medialen Präsenz des Tischtennis zu tun. „Selbst mein Sohn kennt nur noch Fußball“, erzählt Roßkopf. „Dennoch sollten Sportarten und Sportler nicht so viel jammern. Wir sind erfolgreich, mehr können wir nicht tun.“

Boll ergänzt: „In meiner ganzen Karriere habe ich versucht, in Deutschland etwas auszulösen – und es hat sich noch nicht viel verändert.“ Und wenn es nun doch mit dem WM-Titel klappt? Da lässt sich der BVB-Fan Timo Boll von Pierre-Emerick Aubame­yangs Maskenjubel inspirieren: „Dann fliege ich wie ein Schmetterling“, sagt er verschmitzt. Hans Wilhelm Gäb klärt lächelnd auf: „Sein Ausrüster heißt Butterfly.“