St. Moritz. . Ivica Kostelic hat jahrelang den Ski-Weltcup dominiert. Mit 37 Jahren und 14 Knie-Operationen später kommt er vom Sport nicht los.
Als 46. fährt Ivica Kostelic ins Ziel. Ein Rudel der Namenlosen ist schneller als er: Briten, Bulgaren, Argentinier. Da steht dieser große Mann des Skisports nun als Geschlagener bei den Weltmeisterschaften in St. Moritz und winkt tapfer in die Runde. Die Menge feiert ihn, weil sie ihn von früher kennt. Ist das der letzte große Auftritt des Ivica Kostelic auf der großen Bühne? Man weiß es nicht. Aber man erwischt sich bei dem Gedanken, dass man es hofft.
Vier Olympia-Medaillen hat der Kroate gewonnen, er war Weltmeister und hat 2011 die große Kristallkugel für den Sieg des Gesamtweltcups geholt. Gemeinsam mit Schwester Janica hat er über ein Jahrzehnt lang Maßstäbe im Weltcup gesetzt. Das ist lange her. Einige Jahre und 14 Knieoperationen später kommt der heute 37-Jährige nicht los von seinem Sport.
"Schwierig, sich zu verabschieden"
Kostelic nimmt einiges dafür in Kauf, um weiter dazuzugehören. Bei der Ski-WM startet der einstige Allrounder ausschließlich im Slalom, der langsamsten und ungefährlichsten Disziplin. Denn eine weitere schwere Verletzung kann er nicht riskieren. Klaglos akzeptiert er es, durch die Qualifikation zu müssen. Für einen direkten Platz im Hauptfeld ist er zu schlecht. Also kämpft er am Tag vor dem Rennen beherzt gegen die dritte und vierte Garnitur auf Skiern und schafft es als 15. ins Hauptfeld. Immerhin. Warum bloß tut ein Weltmeister sich das an?
„Es gibt nicht diese eine Antwort auf eine solche Frage. Aber es hat mit meiner Leidenschaft für diesen Sport zu tun“, sagt der Mann aus Zagreb. Seit 30 Jahren verbringe er nun sehr viel Zeit auf Bergen. „Es ist fast mein ganzes Leben. Und es ist schwierig, sich von einem Leben zu verabschieden.“
Tränen in Wengen
Also wählt Kostelic einen Abschied auf Raten, eine Trennung light. Tränen und Glücksmomente wechseln sich ab. Zuletzt weint er in Wengen, vor gut einem Monat. Da verkündet er nach dem Kombinationsslalom seinen Rücktritt vom Leistungssport. Fünf Wochen später ist er wieder im Rennen. Die WM, ein Glücksmoment, trotz der Quali-Qual. „Es ist immer schön, in St. Moritz zu fahren. Die Rückkehr hierher gibt mir die Gelegenheit, Erinnerungen wiederzufinden.“ Für seine guten Gedanken an diesen Ort ist das Jahr 2003 verantwortlich. Da wird der junge Skirennfahrer auf der selben Piste Slalom-Weltmeister, auf der er jetzt die Konkurrenz vorbeiziehen lassen muss. Auch Felix Neureuther, der dieses Mal Bronze gewinnt, erinnert sich an die WM in St. Moritz vor 14 Jahren: „Ich war beeindruckt, dass ich als junger Fahrer bei der Besichtigung auf einmal neben Ivica Kostelic stand. Er war mein Idol damals.“
Die alten Weggefährten begegnen dem Kroaten auch auf dessen intensiver Abschiedstour mit viel Respekt. 26 Weltcupsiege überstrahlen offenbar ein holpriges Ende. Das sieht auch die eigene Familie so. Schwester Janica, die vor zehn Jahren im Alter von nur 25 Jahren kurz und schmerzlos ihren Rücktritt vom alpinen Skirennsport bekannt gegeben hatte, weicht ihrem Bruder selten von der Seite. Sie begleitet ihn nach St. Moritz und findet: „Er soll seinem Gefühl vertrauen. Niemand anderes kann über seine Zukunft entscheiden.“
Er plant eine Grönland-Expedition
Den zweiten Slalom-Durchgang verpasst Ivica Kostelic als 46. klar. Aber er steht noch lange im Zielraum und erzählt. Viel von heute, noch mehr von früher. „Ich weiß, dass das Ende einmal kommen muss“, sagt er in einem Deutsch, das er in knapp 20 Jahren Ski-Weltcup perfektioniert hat. Einen Tag später verkündet er auf seiner Facebook-Seite, dass er im April zu einer Grönland-Expedition aufbrechen wird. 550 Kilometer – viel Zeit zum Nachdenken. Danach wird er vermutlich seinen endgültigen Rücktritt bekanntgeben. Oder plötzlich wieder am Start stehen.