St. Moritz. . Marcel Hirscher will am Freitag bei der WM im Riesenslalom glänzen. Vorher aber hat er an einer Niederlage zu knabbern – gegen einen Belgier.

Marcel Hirscher redet, bis auch die letzte Frage geklärt ist. Und wenn er diese schon tausendmal gehört hat, drückt er trotzdem nicht die Taste mit der schnellen Standard-Antwort. Wäre er ein Fußball-Bundesligaspieler, er wäre wohl Thomas Müller. Hirscher ist aber der größte Star, den der Skizirkus derzeit anzubieten hat. An diesem Freitag (9.45 Uhr/ARD und Eurosport) will er bei den Weltmeisterschaften in St. Moritz zeigen, warum er im Rennen ähnlich unterhaltsam auftritt wie abseits der Skipiste.

Auch interessant

Doch bevor er ruhigen Gewissens in den Riesenslalom gehen kann, muss er zunächst seinen Ärger loswerden. Während sein deutscher Konkurrent Felix Neureu­ther kurz vor dem Start in aller Stille seinen lädierten Rücken hegt und pflegt, kämpft der Österreicher offensiv gegen eine ungeheure Wut im Bauch.

Der 27-Jährige nimmt auf einem Ledersofa im Untergeschoss des österreichischen WM-Treffpunkts im Ortskern von St. Moritz Haltung an. Sein Gesicht schaltet von freundlich auf streng um. „Zunächst möchte ich etwas ansprechen“, sagt er in einer für ihn ungewöhnlich ernsten Tonlage. „Ich bin peinlich enttäuscht von einigen Berichten, die ich online gesehen habe.“ Diese seien, sagt er, vermutlich von Menschen verfasst worden, deren größtes Problem es sei, morgens die Kaffeemaschine einzuschalten, die aber wohl niemals selbst einen Schwung mit Skiern gefahren seien.

Hirschner gewann die letzten fünf Weltcup-Titel

Was dazu führte, dass beleidigende Schlagzeilen hinter dem Tiroler her geworfen wurden? Ein vermasselter Auftritt im Teamwettbewerb am Dienstag. Dort unterliegt Hirscher, der Ski-Held, im direkten Duell dem unbekannten Dries van den Broecke. Ein Österreicher verliert gegen einen Belgier. Auf Skiern, nicht im Waffelbacken. Das gibt es nicht oft.

Auch interessant

Doch Hirscher fängt sich wieder. Zunächst im Gespräch („Jetzt fühle ich mich freier“) und womöglich schon am Freitag im Rennen, wo er im Champagner-Klima von St. Moritz glänzen möchte. Marcel Hirscher, der Star der Snow-Society. Er kann sie alle haben: Gold, Silber oder Bronze. „Eine Riesenslalom-Medaille würde ich gerne mitnehmen. Gehen wir nach dem Papier, wird es einen Zweikampf zwischen Alexis Pinturault und mir geben, aber ich schließe auch eine Überraschung nicht aus, denn hier kommen zwei Sachen zusammen: Es ist eine WM und es ist St. Moritz mit seiner besonderen Topographie.“

Bei aller Bescheidenheit: Während einige deutsche Skirennfahrer in diesem Winter irgendwo zwischen Lift und Starthäuschen ihre Form verloren zu haben scheinen, gibt sich Seriensieger Marcel Hirscher wieder einmal keine Blöße. Fünfmal nacheinander hat er zuletzt den Gesamtweltcup gewonnen, in jedem Riesentorlauf dieser Saison ist er auf das Podest gekommen. Mit bisher sieben WM-Medaillen ist Hirscher dritterfolgreichster Sportler der Skination Österreich — hinter Benjamin Raich (10) und Toni Sailer (8). Sailer könnte er in diesen Tagen noch überholen, denn auch am Sonntag, zählt Hirscher zu den Kandidaten, wenn er zum Tanz mit den Slalomstangen antritt.

Geplant ist noch ein Weltcup-Jahr

Einen Namen im munteren Favoriten-Raten nennt der Österreicher allerdings nicht: Felix Neureuther, der lange Zeit sein schärfster Konkurrent war. „Felix hat das Problem, dass er nie ohne Problem ist“, sagt Hirscher im Gespräch mit dieser Zeitung. „Jetzt hat er wieder Rückenschmerzen. Ich fühle mit ihm.“ Hirscher und Neureuther — auf der Piste Gegenspieler, neben der Piste Verbündete.

Offenbar eint den Deutschen und den Österreicher auch eine ähnliche Karriereplanung. Neureuther wiederholt in diesen Tagen in St. Moritz, dass es wohl seine letzten Weltmeisterschaften sein werden. Hirscher verkündet am Ende eines denkwürdigen Auftritts, dass er noch ein Weltcup-Jahr plane – „Stand jetzt“, wie er hinzufügt. Es soll ja noch ein bisschen unterhaltsam bleiben.