Essen. . Tennis-König Novak Djokovic steckt in einem Tief. Und muss einiges ändern, um wieder zu alter Stärke zu finden. Möglicherweise auch seinen Trainer.
Am 5. Juni dieses Jahres malte er ein riesiges Herz in den roten Sand von Paris. Da lag der letzte seiner vielen großen Triumphe nur ein paar Augenblicke zurück, der historische Sieg bei den French Open – und einer der letzten erfüllten Träume als Tennisspieler. „Völlig überwältigt“ war Novak Djokovic von seinem Glück, der Regent des globalen Wanderzirkus’.
Viele meinten, Djokovic werde nun erst recht die Pulverisierung alter Rekorde vorantreiben, nun, nachdem der Makel des fehlenden Roland-Garros-Titels beseitigt war.
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Doch wer auf die vier Monate nach diesem Feier-Tag blickt, speziell noch einmal auf die letzten Wochen, der erkennt, dass Djokovic am ganz anderen Ende der Erwartungsskala gelandet ist. Zwar ist der Serbe immer noch die Nummer eins der Weltrangliste. Aber das, was in Fachkreisen als Siegeraura bezeichnet wird, ist in einem Strudel von Niederlagen, Zweifeln, Krisengerüchten sportlicher und privater Natur verschwunden.
Becker sollte Djokovics Situation nachvollziehen können
Die großen Titel gewannen andere, einer vor allem, Andy Murray, also der Mann, der Djokovic jetzt vom Tennisgipfel verdrängen kann.
Am Wochenende war gerade noch einmal der neue, nicht wiederzuerkennende Djokovic zu bestaunen, bei einem Halbfinale des Masters-Turnier in Schanghai: Da zerriss er sich auf offener Bühne das T-Shirt, lamentierte mit dem Schiedsrichter und den Zuschauern herum, zerhackte wütend seinen Schläger. Genau dies hatte es in den Jahren seiner einsamen Tennis-Diktatur nicht gegeben. „Er ist nicht mit sich im Reinen im Moment“, sagt der Schwede Mats Wilander, selbst einmal in den 80er-Jahren die Nummer eins der Tenniswelt, „er ist in einem schwierigen Prozess der Neujustierung.“
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Tatsächlich ist nicht komplett überraschend, was mit Djokovic passiert. Denn auch anderen Großen der Branche ist es schon so ergangen: Kaum hatten sie ein finales großes Ziel erreicht, da stürzten sie in Motivationsprobleme. Und fragten sich schlicht, wie auch ein gewisser Boris Becker nach dem Sprung auf den Tennisthron, „was jetzt noch kommen kann“. Becker, der Trainer von Djokovic, wird also nachvollziehen können, wie sich sein Schützling gerade fühlt.
Auch Federer hat an Stärke verloren
Wenn nicht alles täuscht, steht Djokovic bei seinem Prozess der Neuaufstellung gerade erst am Anfang. Er ist einer der größten Perfektionisten, die das Tennis je gekannt hat. Die teilweise totale Kontrolle über die Branche, über selbst die ärgsten Rivalen, erlangte er auch, weil er sich makellos aufstellte. Djokovic reiste nicht nur mit Fitnesstrainer, Konditionstrainer, Bewegungscoach umher, sondern brachte zu großen Turnieren sogar einen Koch mit.
Djokovics Malaise ist erhellend in vielerlei Hinsicht: Sie zeigt, wie unglaublich seine Jahre der Dominanz waren. Sie zeigt aber auch, wie schnell sich alles ändern kann. Voriges Jahr war auch Roger Federer noch der ernsthafteste Rivale von Djokovic, 2016 spielte er gerade eine Handvoll Turniere, war dauernd verletzt und beendete bereits im Sommer die Saison.
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Wohin führt Djokovics Weg? Es gibt keine schlüssige Antwort darauf. Nichts ist unmöglich. Nicht ein Anlauf zu neuer Dominanz, nicht eine Fortsetzung oder Verschärfung der Krise. Wundern würde nicht, wenn Djokovic seine Mission mit anderen Gesichtern an seiner Seite anpacken würde, wundern würde das wohl auch nicht Cheftrainer Boris Becker. Becker braucht sich nur zu erinnern, was er vor 25 Jahren tat, als er sein letztes Traumziel, den Sprung auf Platz eins der Weltrangliste, erreicht hatte. Da trennten sich die Wege zwischen ihm und Trainer Bob Brett.