Essen. Der Blindenfußballer Mulgheta Russom hat sich für die ZDF-Torwand beworben. Noch bis zum 8. April steht sein Bewerbungsvideo zur Abstimmung im Netz.
Sie ist legendär. Seit über 50 Jahren ist sie Bestandteil des aktuellen sportstudios im ZDF. Die Torwand. Was sie auch so besonders macht: Woche für Woche hat jeden Samstagabend ein Freizeitfußballer die Chance, sich im aktuellen Sportstudio mit dem Studiogast zu messen. Wo kommt man den Stars von heute noch so nahe?
Auch Mulgheta Russom hat sich mit einem Video als Kandidat an der Torwand beworben und steht noch bis zum 8. April zur Wahl. Das außergewöhnliche daran: Er ist blind. Im ersten Moment klingt es fast unmöglich, dass jemand mit seinem Handicap aus sieben Metern Entfernung in ein Loch mit einem Durchmesser von 55 Zentimetern trifft. Für den 37-Jährigen kein Problem. Er liebt die Herausforderung.
Alles andere ausblenden
Russom spielt für die Blindenfußballmannschaft des MTV Stuttgart in der Bundesliga. Er ist ein sicherer Strafstoßschütze und kann die Bälle auf Zusage präzise im Tor unterbringen. Diese Genauigkeit, wie sie auf seinem Bewerbungsvideo für das Sportstudio zu sehen ist, würde sich manch sehender Kicker wünschen. Was ihn vom Punkt so gut macht? Russom kann einfach alles um sich herum ausblenden. „Wenn ich da stehe, dann nehme ich nichts anderes mehr wahr. Ich fokussiere mich dann nur auf meinen Schuss“, erklärt er. Das muss er aber auch. Einen Strafstoß im Blindenfußball zu schießen ist gar nicht so einfach. Wenn der Schiedsrichter den Schuss freigibt, dann hat der Schütze noch vier Sekunden Zeit um zu handeln.
So macht er es auch an der Torwand. Russom legt sich den Ball zurecht und auf ein akustisches Signal seines Trainers Ulrich Pfisterer hin, nimmt er Maß. Der Fitnesstrainer hört dabei ganz genau, wo die Stimme herkommt. Genau dort zielt er dann auch hin. Zum Glück steht der Trainer hinter dem Tornetz, sonst würde er Russoms Schuss genau gegen den Kopf kriegen. An der Torwand würde dies bedeuten: Treffer!
Russom hielt Blindenfußball für einen Scherz
Für Russom wäre es etwas ganz besonderes, wenn er im ZDF vor deutschlandweitem Publikum auftreten könnte. Mit 20 Jahren ist er durch einen Autounfall komplett erblindet. Das aktuelle sportstudio kennt er noch bestens, weiß genau, wie es dort aussieht. Vor allem könnte er durch seinen Auftritt aber auch seinen Sport ein bisschen populärer machen. Am 7. Mai startet die Blindenfußball-Bundesliga in ihre Saison 2016. Der 1. Spieltag ist in Gelsenkirchen. Er selbst hielt den Anruf seines Trainers damals für einen Scherz, als Pfisterer ihn zum Training einlud. „Ich bin beim ersten Mal nicht zum Training gegangen. Ich habe gedacht, der verarscht mich“, erzählt Russom. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Blinde Fußball spielen.“ Doch es hat sich gelohnt, dass er nach erneutem Anruf des Trainers schließlich hingegangen ist. Seit zehn Jahren spielt er in der deutschen Nationalmannschaft und führt diese als Kapitän an.
Russom, dessen Video-Bewerbung für das Torwandschießen noch bis Freitag, 8. April zur Wahl steht, geht ganz gelassen an die Sache heran. „Ich mache mir keine Gedanken, ob es klappt. Das habe ich nicht selbst in der Hand“, sagt er ganz gelassen. Noch steht nicht fest, in welcher Sendung er dann antreten würde. „Auf jeden Fall aber noch in dieser Saison“, heißt es vom ZDF. Russom wäre übrigens nicht der erste blinde Schütze in der Sendung. In der Ausgabe vom 9. August 2014 war der blinde Bergsteiger Andreas Holzer zu Gast, der zweimal auf die Torwand schoss und einmal traf.