Feldmark. . Der FC Schalke 04 hat im März eine Abteilung Blindenfußball in den Verein integriert. Außer Schalke tut das nur ein weiterer Profiklub.
Sie spielen in der 1. Bundesliga, sie tragen die Heimtrikots des FC Schalke 04 – das blau-weiße mit dem Vereinswappen auf der Brust, „Wir leben Dich“, steht im Kragen geschrieben, Namen und Nummern sind selbstverständlich auf den Rücken gedruckt. Genauso wie bei den Schalker Profis.
Mit dem Unterschied, dass diese Bundesligaspieler nicht Fährmann, Huntelaar oder Höwedes heißen, sondern Dogan, Koparan oder Tatar. Und, dass sie sich in diesen Trikots noch nie gesehen haben – und sich auch nie darin sehen werden. Die acht Schalker Jungs sind blind, ihr Sehvermögen beträgt maximal zwei Prozent. Richtige Schalker sind sie erst seit gut zwei Monaten, seitdem wird im Verein die Abteilung Blindenfußball geführt.
Schalke spielt Samstag gegen den Serienmeister
Beim Training am Dienstagabend auf dem genormten Kunstrasenspielfeld an der Fürstinnenstraße werden Spielzüge einstudiert. Am Samstag geht es nach Landshut, am zweiten Bundesliga-Spieltag trifft Schalke auf den MTV Stuttgart 1843. „Stuttgart ist Serienmeister und stellt quasi die Nationalmannschaft“, sagt Bayram Dogan, kommissarischer Abteilungsleiter und Kapitän der Schalker. Allerdings rechnen sich die Königsblauen diesmal Chancen aus, den haushohen Favoriten zu ärgern. Trainer Mohamed Abd el Wares sagt: „Wir sind richtig gut drauf.“
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Stimmt, feiner Querpass auf Torjäger Hasan Koparan, der Stürmer zieht ab, der Ball rauscht nur ganz knapp am Pfosten vorbei. Die Intensität beim Abschlusstraining ist hoch, die Zweikämpfe werden hart geführt. Vor allem an der Bande, die das Feld wie beim Hallenfußball umrahmt und von den Spielern berührt werden darf, geht’s richtig zur Sache. „Gut so, weiter so“, ruft Trainer Abd el Wares. Das macht doch Hoffnung für Samstag.
Claudia Mathony ist Guide des Teams, sie steht hinter dem Tor des Gegners. „An ihr orientieren wir uns und wissen, wo das Tor steht“, sagt Bayram Dogan. Mathony ruft den Offensivspielern so genannte Codes zu. Einen wie: „Acht eins!“ Bedeutet auf Schalke: Acht Meter zum Tor und ein Gegenspieler. „Bei ,Acht drei’ würde ich einen Pass spielen, da ein Durchkommen gegen drei Abwehrspieler wohl schwierig ist“, erklärt Dogan.
Im Inneren des Balls ist eine Rassel
Die Bälle sind etwas kleiner als Fußbälle und wesentlich schwerer. Im Inneren ist eine Rassel, es wird also nach Gehör gespielt – und nach den Anweisungen des Guides, des Trainers und des eigenen Torwarts, die drei einzigen Teammitglieder, die Sehfähigkeit besitzen. Bayram Dogan, der seit seinem 15. Lebensjahr blind ist, sagt: „Du machst viel intuitiv. Wir Spieler haben einen inneren Kompass und nehmen die Anweisungen nur vor dem Tor auf.“
Trainer Mohamed Abd el Wares erklärt: „Das Allerwichtigste ist das Vertrauen. Viel wichtiger als in allen anderen Sportarten auf der Welt. Wenn ich einem Spieler zurufe, dass er rennen soll, dann rennt er bedingungslos. Ohne zu sehen, was vor ihm ist. Mehr Vertrauen geht doch nicht.“
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Nach einer guten halben Stunde ruft Abd el Wares seine Mannschaft im Mittelkreis zusammen. Durch Körperkontakt erklärt er Feridun Akkaya, wie er sich am besten um seinen Gegenspieler drehen soll, um sich aus dem Zweikampf zu befreien. Die Spieler sind geschwitzt und nehmen für einem Moment ihre Dunkelbrille ab. Diese Dunkelbrillen müssen beim Blindenfußball wegen der Chancengleichheit zwingend getragen werden. „Mohamed quält uns heute, der ist wie Felix Magath“, sagt Abwehrspieler Senol Tatar. „Fehlen nur noch die Medizinbälle“, ruft Özer Kaleoglu. Die Spieler lachen.
Die Schalker sind bestens gelaunt, die Vorfreude auf das Spitzenspiel gegen Stuttgart ist spürbar. Dass sie jetzt in Königsblau auflaufen, sorge für Extramotivation. „Aber auch bei den Gegnern“, sagt Dogan. „Dass wir jetzt Schalker sind, ist in der Szene Thema. Die Blindenfußballer aus ganz Deutschland erhoffen sich mehr Beachtung.“ Von den Profiklubs stellt neben Schalke nur St. Pauli eine Blindenmannschaft.
Soldanski schätzt den Zusammenhalt
Daniel Soldanski ist in der sechsten Saison Torwart der Blindenfußballer. Dreimal wurde er zum besten Keeper der Liga gewählt. Der 19-Jährige beschreibt seine Aufgabe so: „Ich bin Torwart und Kommandeur zugleich.“ Der Gelsenkirchener findet vor allem den Zusammenhalt in der Mannschaft klasse. Er hat größten Respekt vor den sportlichen, vor allem aber vor den mentalen Leistungen seiner Mitspieler. Das Tor dieser Mannschaft zu hüten, sei für ihn „eine Ehre.“ Teils plumpe Bemerkungen von Bekannten stören schon lange ihn nicht mehr. Soldanski kann sich noch gut an sein erstes Training mit den blinden Teamkollegen erinnern: „Schon komisch. Aber da stellt man sofort fest, wie gut es einem geht.“
Manchmal, erzählt der Keeper, sei es „einfach unbeschreiblich schön“, Torwart dieser Mannschaft zu sein. „Du wehrst den Ball ab und deine Mitspieler jubeln dir zu, ohne die Parade überhaupt gesehen zu haben.“ Eben blindes Vertrauen.