Leipzig. . Die deutsche Leichtathletik im Rio-Check: Team ist breiter aufgestellt als früher. In der Hallensaison haben sich neue Talente für Olympia empfohlen.

Der nationale Höhepunkt der Hallensaison ist für die Leichtathleten am Wochenende in Leipzig bei den Deutschen Meisterschaften über die Bühne gegangen. Wo steht die sogenannte Königin der olympischen Sportarten in Deutschland fünfeinhalb Monate vor den Sommerspielen? Wir geben die Antworten im Rio-Check.

Wie sind die Titelkämpfe in Leipzig zu bewerten?

Auch wenn einige Asse wie Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz oder Kugel-Silbermedaillengewinner David Storl auf einen Start verzichteten, gab es weitaus mehr Licht als Schatten. Im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro ist die wichtigste Erkenntnis, dass sich die Tendenz der vergangenen vier Jahre fortgesetzt hat: Die deutsche Leichtathletik ist breiter aufgestellt. Der Erwartungsdruck, Medaillen bei Großereignissen gewinnen zu müssen, lastet nicht mehr nur auf den breiten Schultern der Werfer. Auch in den Sprungdisziplinen und im Laufbereich gibt es einige Medaillenkandidaten für Olympia. Den größten Sprung in Richtung Weltspitze hat in der Hallensaison Alexandra Wester gemacht. Die 21-jährige Weitspringerin katapultierte sich quasi aus dem Nichts mit 6,95 Metern an die erste Stelle der Weltjahresbestenliste und bestätigte auch mit ihrem Siegessprung auf 6,75 Metern in Leipzig ihre Wettkampf-Stabilität.

Welche neuen Hoffnungsträger haben sich in der Hallensaison in den Blickpunkt geschoben?

Neben Alexandra Wester ist dies vor allem dem erst 19-jährigen Max Heß gelungen. „Es war ein Gefühl der Schwerelosigkeit, der Freiheit”, erzählte der Chemnitzer, nachdem er im Dreisprung mit 17,00 Metern den Titel geholt und seine Bestleistung um 66 Zentimeter verbessert hatte. Platz zwei in der Weltjahresbestenliste, Rang sechs in der ewigen deutschen Bestenliste: Heß hat den Dreisprung aus dem Dornröschen-Schlaf erweckt. Noch jünger als Heß sind Konstanze Klosterhalfen und Alina Reh. Die gerade erst 19 Jahre alt gewordene Klosterhalfen und die 18-jährige Reh brannten auf der blauen Tartanbahn über 3000 Meter ein Feuerwerk ab. Mit ebenso Raum greifenden wie eleganten Schritten begeisterten sie die Zuschauer. Klosterhalfen verbesserte den U-20-Europarekord über 1500 Meter über 3000 Meter um fast zehn Sekunden auf 8:56,36 Minuten. Die U-20-Doppel-Europameisterin Reh schrammte in 9:00,58 nur knapp an der Neun-Minuten-Marke vorbei.

Wie sehen die Perspektiven in den Laufdisziplinen aus?

Auf der Bahn werden die Stars der Leichtathletik gemacht. Nach vielen Jahren des Hinterher-Rennens sind vor allem deutsche Läuferinnen in die Weltspitze gestürmt. Gesa Felicitas Krause bewies mit Platz drei bei der WM 2015 über 3000 Meter Hindernis, dass auch Nicht-Afrikanerinnen den Sprung aufs Podest schaffen können. Die auch erst 23-jährige Krause musste wegen eines Infekts auf einen Start in Leipzig verzichten, unterstrich aber vor einer Woche in Glasgow mit einer Klassezeit über 3000 Meter (8:49,43), dass mit ihr in Rio zu rechnen ist. Dies gilt auch für Cindy Roleder. Die Sensations-Zweite der WM 2015 über 100 Meter Hürden glänzte in Leipzig über 60 Meter Hürden mit der europäischen Saisonbestzeit von 7,88 Sekunden. Auch sie liegt für Rio voll im Plan. Die schnellsten Deutschen, Julian Reus vom TV Wattenscheid und Tatjana Pinto vom SC Paderborn, trumpften in Leipzig groß auf. Für Olympia sind sie die Zugpferde der deutschen Sprintstaffeln, die für eine Medaille gut sind.

Kann die deutsche Bilanz von den Olympischen Spielen in London 2012 mit acht Medaillen verbessert werden?

Die Messlatte liegt hoch, aber ein ähnliches Abschneiden ist durch die größere Breite möglich oder sogar noch zu steigern. „Auch mit Diskus-Olympiasieger Robert Harting ist wieder zu rechnen”, sagt Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. „Robert hat mit seinem Siegeswurf beim Hallen-Istaf mentale und körperliche Stärke bewiesen. Ich sehe unser Team für Rio auf einem guten Weg.”