Vail/Beaver Creak. . Felix Neureuther gegen Marcel Hirscher: So heißt das Duell bei der Ski-WM. Außer ihrem Hang zum Siegen haben die beiden Profis nicht viel gemein.

Nachdem Viktoria Rebensburg leer ausgegangen ist, muss nun Felix Neureuther die Kohlen für den Deutschen Ski-Verband aus dem Feuer holen. Vor dem Team-Wettbewerb bei der Weltmeisterschaft am Dienstag (22.30 Uhr/ARD) in Colorado spricht der 30 Jahre alte Garmischer über die Unterschiede zu Konkurrent Marcel Hirscher und seine Popularität in Österreich.

Marcel Hirscher hat sich kürzlich im Stahlofen fotografieren lassen. Würden Sie sich auch gerne mal als harter Bursche ablichten lassen?

Felix Neureuther: Ich bin sicher nicht so der Stahltyp, vielleicht eher der Watteplüschtyp (lacht). Aber wenn man Marcel so sieht, muss man sagen, er stellt schon ziemlich was dar.

Waren Sie überrascht, als Sie Marcel Hirscher zum ersten Mal in dieser Saison gesehen haben? Er ist ein richtiges Muskelpaket geworden.

Neureuther: Ja, schon ein bisschen. In den letzten Jahren war er ja auch immer gut beieinander, aber das jetzt ist schon noch einmal ein deutlicher Unterschied.

Im Riesenslalom scheint ihm die Muskelmasse zugute zu kommen. Aber ist sie für den Slalom nicht kontraproduktiv?

Neureuther: Ich hatte lange 87, 88 Kilogramm, und die letzten drei Jahren vier Kilo weniger. Das macht sich schon bemerkbar. Ich bin einfach spritziger und kann mich schneller bewegen zwischen den Toren. Ich fühle mich mit weniger Gewicht wohler. Außerdem glaube ich, dass es letztendlich egal ist, ob du mit 200 Kilo Kniebeugen machst oder mit 60 Kilo. Ich trainiere ohnehin sehr wenig mit Gewichten.

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Das liegt bei Ihnen aber vor allem an ihren chronischen Rückenbeschwerden.

Neureuther: Natürlich, auch daran. Wenn es vom Rücken her gehen würde, würde ich schon mehr mit mehr Gewichten trainieren. Aber das Schöne ist doch, dass es viele verschiedene Wege gibt, die ans Ziel führen. Der eine ist eher ein sehr kräftiger Typ, der andere mehr der Schnellkräftige. Und bei mir sind die koordinativen Fähigkeiten sehr gut ausgeprägt. Für die Abfahrt brauchst du sicher mehr Kraft, aber im Riesenslalom und vor allem Slalom kannst du es mit Technik und mentaler Stärke wettmachen.

Warum haben Abfahrer wie Aksel Lund Svindal oder Kjetil Jansrud, die früher erfolgreich im Riesenslalom waren, mittlerweile Schwierigkeiten, in dieser Disziplin mitzuhalten? Liegt das alleine an den modifizierten Skiern?

Neureuther: Man muss mit den neuen Skiern im Schwung selbst wesentlich mehr Aufwand betreiben, damit du die Skier um die Ecke bekommst…

Aber an der Kraft dürfte es bei den Abfahrern nicht scheitern …

Neureuther: Aber mit den Skiern im Riesenslalom hast du nur eine Chance, wenn du mit einem extremen Aufkantwinkel fährst. Nur dann bringt man die Ski um die Kurven, vor allem bei der Kurssetzung, die wir mittlerweile haben.

An den Kurssetzungen gab es zuletzt häufig Kritik. Was hat sich da geändert?

Neureuther: Es ist schon komisch, denn vor der Materialumstellung wurden die Kurse viel weiter und gerader gesteckt. Aber da waren die Ski noch viel kürzer, also man bekam sie leichter um die Kurve. Das ist auch ein Grund, warum die Slalomfahrer besser zurechtkommen als Abfahrer.

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Was bezwecken die Kurssetzer damit?

Neureuther: Sie wollen die Geschwindigkeit rausnehmen, ganz einfach.

Muss sich also die Kurssetzung ändern?

Neureuther: Im Slalom nicht, es sollte nur nicht ins Extreme gehen wie beim Weltcup-Finale in Lenzerheide, als der Trainer von Marcel Hirscher gesetzt hat und klar war, dass man bei dem Schnee damals ab Startnummer fünf keine Chance mehr haben würde. Aber beim Riesenslalom geht der Trend schon ein bisschen in die falsche Richtung. Denn es sieht auch im Fernsehen nicht mehr so gut aus – und das hilft dem Skisport nicht.

Wagen Sie einen Tipp: Wer holt Gold im Riesenslalom und wer im Slalom bei der WM?

Neureuther: Ligety ist für mich immer im Riesenslalom Favorit, genauso wie im Slalom Hirscher Favorit ist.

Aber in dieser Saison hat Hirscher den Riesenslalom dominiert und Sie führen in der Slalomwertung.

Neureuther: Auf dem Schnee in Europa, der nicht so aggressiv ist wie hier in Amerika, muss du sehr viel selbst arbeiten, um den Ski um die Kurve zu bekommen. Da ist Marcel Hirscher einen Schritt voraus. Aber auf dem Schnee hier in Beaver Creek, auf dem es vor allem darum geht, dass du den Ski immer auf Zug hältst und ihn nicht arbeiten lässt, hat so jemand wie Ted Ligety einen Vorteil. Das hat dann nichts mit der Kurssetzung zu tun.

Und wie kommen Sie mit dem aggressiven Schnee zurecht?

Neureuther: Mir ist das wurscht. Aber bei meiner Skifirma habe ich den Vorteil, dass wir nicht so viele verschiedene Ski haben. Andere Fahrer testen dagegen hin und her und betreiben einen irrsinnigen Aufwand. Wir bei Nordica haben nur ein paar verschiedene Ski mit unterschiedlichen Radien und Aufbau. Und die funktionieren eigentlich auch bei allen Verhältnissen.

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Sie mussten sich hier in den USA sich also nicht mehr viel mit Skitesten beschäftigen?

Neureuther: Nein, da ging es mehr noch darum, wie man den Schwung aufbaut. Dass ich nicht viel testen muss, kam mir auch in den vergangenen Jahren sehr zugute. Als ich noch bei Atomic war, habe ich einen riesigen Aufwand betrieben, um die richtige Abstimmung zu finden. Jetzt kann ich mich wieder auf meine Technik und aufs Skifahren konzentrieren.

Ihrem Konkurrenten Hirscher scheint das aber nichts auszumachen.

Neureuther: Der Marcel ist halt ein massiver Perfektionist.

Sie nicht?

Neureuther: Nein. Ich bin natürlich schon sehr ehrgeizig, aber diesen Drang nach Perfektionismus hat mir Marcel schon voraus. Für mich sind andere Sachen im Leben wichtiger als der Skisport.

Ein Funktionär hat mal gesagt, dass Hirscher sehr viel mit Athletik macht und Sie mit noch mehr Talent. Stimmen Sie dem zu?

Neureuther: Nein, so würde ich so nicht sagen. Marcel probiert es halt immer mit der Brechstange. Er muss unheimlich viel Energie reinstecken, und ich bin halt eher der Gefühlsskifahrer. Ich fahre mit weniger Aufwand. In meinem Alter wüsste ich ja gar nicht mehr, wo ich diese Energie herbringen sollte.

Sie schaffen es seit ein paar Jahren, mit weniger Trainingsaufwand als die Konkurrenz erfolgreich zu sein. Wie lange geht das noch gut?

Neureuther: Ich weiß es nicht. Das lasse ich auf mich zukommen. Aber nach der Saison denke ich mir schon manchmal, wie soll das gehen, dass ich das so weitermache.

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Sie haben vor der WM behauptet, schon auf dem Zahnfleisch daherzukommen. Wie haben Sie sich erholt?

Neureuther: Es war die absolut richtige Entscheidung, erst einmal nach Park City zum Trainieren zu fahren, weil wir da unsere Ruhe hatten. Vielleicht hat uns da mal einer vom Sessellift aus zugeschaut, ansonsten haben wir niemanden interessiert. Wieder runterzukommen, das hat unheimlich gut getan. Es ist auch schön, jetzt durch Vail gehen zu können, ohne gleich nach meinem Rücken gefragt zu werden.

Sie sind in Österreich extrem populär, obwohl Sie der große Konkurrent von Marcel Hirscher sind. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Neureuther: In Österreich wird der Skisport anders gelebt, vielleicht deshalb. Dort ist es zum Beispiel wurscht, dass meine Eltern auch Skirennläufer waren. Ich werde in Österreich ganz anders wahrgenommen.

Haben Sie denn noch immer das Gefühl in Deutschland, als Sohn von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther gesehen zu werden?

Neureuther: Nein, das hat sich schon geändert. Aber in Österreich haben sie mich von Anfang als Felix gesehen und nicht als Sohn von… Das ist der Unterschied.

Ist das Duell mit Hirscher nur gut für die Popularität oder bringt Sie das auch sportlich weiter?

Neureuther: Es pusht ungemein. Wenn der Marcel schneller ist, dann denke ich mir, jetzt muss ich aber noch mehr Gas geben und attackieren. Und ich glaube, umgekehrt ist das genauso.